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Die Pest (German Edition)

Die Pest (German Edition)

Titel: Die Pest (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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abgeschnitten waren. In der allgemeinen Verbannung waren sie die Verbanntesten, denn wenn die Zeit in ihnen, wie in allen, die ihr eigene Beklommenheit hervorrief, so waren sie auch an den Raum gebunden und stießen unentwegt gegen die Mauern, die ihren verpesteten Aufenthaltsort von ihrer verlorenen Heimat trennten. Wahrscheinlich waren sie es, die man zu jeder Tageszeit in der staubigen Stadt umherirren sah, wobei sie im Stillen Abende, die nur sie kannten, und die Morgen ihrer Heimat heraufbeschworen. Dann verstärkten sie ihr Leid mit unwägbaren Zeichen und verwirrenden Botschaften, wie einem Schwalbenzug, einem Abendtau oder jenen sonderbaren Strahlen, die die Sonne in den menschenleeren Straßen hinterlässt. Sie verschlossen die Augen vor jener Außenwelt, die immer von allem erretten kann, so starrsinnig waren sie darauf aus, ihre überaus realen Hirngespinste zu hegen und mit all ihrer Kraft den Bildern eines Landes nachzujagen, in dem ein bestimmtes Licht, zwei oder drei Hügel, der Lieblingsbaum und Frauengesichter eine für sie unersetzliche Atmosphäre schufen.
    Um schließlich noch ausdrücklich von den Liebenden zu sprechen, die am interessantesten sind und von denen zu berichten dem Erzähler womöglich leichter fällt, so wurden sie noch von anderen Qualen geplagt, unter denen das Schuldgefühl erwähnt werden muss. Durch diese Situation wurde es ihnen nämlich möglich, ihr Gefühl mit einer Art fieberhafter Objektivität zu betrachten. Und es war selten, dass ihnen dabei nicht ihre eigenen Schwächen deutlich wurden. Der erste Anlass dazu war die Mühe, die es ihnen bereitete, sich das Tun und Treiben des Abwesenden vorzustellen. Dann bedauerten sie ihre Unkenntnis seines Tagesablaufs; sie warfen sich die Leichtfertigkeit vor, mit der sie es versäumt hatten, sich danach zu erkundigen, und so getan hatten, als glaubten sie, für einen Liebenden sei der Tagesablauf des Geliebten nicht die Quelle aller Freuden. Von da an war es leicht für sie, den Weg ihrer Liebe zurückzugehen und ihre Unvollkommenheit zu untersuchen. In normalen Zeiten wussten wir alle, bewusst oder auch nicht, dass es keine Liebe gibt, die sich nicht selbst übertreffen könnte, und doch akzeptierten wir es mehr oder weniger ruhig, dass die unsere mittelmäßig blieb. Aber die Erinnerung ist anspruchsvoller. Und sehr folgerichtig brachte uns dieses Unglück, das von außen kam und eine ganze Stadt traf, nicht nur ungerechtes Leid, über das wir uns hätten empören können. Es brachte uns auch dazu, uns selbst Leid zuzufügen und uns so dem Schmerz anheimzugeben. Das war eine der Formen, mit der die Krankheit die Aufmerksamkeit ablenkte und Verwirrung stiftete.
    So musste jeder sich damit abfinden, von einem Tag auf den andern und allein im Angesicht des Himmels zu leben. Diese allgemeine Verlassenheit, die die Charaktere auf die Dauer stählen konnte, machte sie jedoch zunächst einmal oberflächlich. Manche unserer Mitbürger wurden damals zum Beispiel Opfer einer anderen Versklavung, die sie in den Dienst der Sonne und des Regens stellte. Wenn man sie sah, schien es, als empfänden sie zum ersten Mal und unmittelbar die Auswirkung des jeweiligen Wetters. Ihre Miene wurde beim bloßen Auftauchen von goldenem Licht fröhlich, während Regentage einen dichten Schleier über ihre Gesichter und Gedanken legten. Noch einige Wochen zuvor waren sie gegen diese Schwäche und diese törichte Abhängigkeit gefeit, weil sie der Welt nicht allein gegenüberstanden und der Mensch, mit dem sie zusammenlebten, sich bis zu einem gewissen Grade vor ihr Universum stellte. Von diesem Augenblick an dagegen schienen sie den Launen des Himmels ausgeliefert zu sein, das heißt, sie litten und hofften ohne Grund.
    In diesem Ausnahmezustand von Einsamkeit konnte niemand auf die Hilfe des Nachbarn rechnen, und jeder blieb mit seiner Sorge allein. Wenn einer von uns zufällig versuchte, sich auszusprechen oder etwas über sein Gefühl zu sagen, war die Antwort darauf, einerlei welche, meistens kränkend für ihn. Der stellte dann fest, dass sein Gesprächspartner und er von verschiedenen Dingen sprachen. Er brachte nämlich das Ergebnis langer Tage des tiefen Grübelns und Leidens zum Ausdruck, und das Bild, das er mitteilen wollte, hatte lange auf dem Feuer des Wartens und der Passion geschmort. Der andere hingegen stellte sich ein konventionelles Gefühl vor, den Schmerz, der überall zu haben ist, eine serienmäßige Schwermut. Wohlwollend oder

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