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Die Pest (German Edition)

Die Pest (German Edition)

Titel: Die Pest (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Einziges ist klar, dass ich mich hier viel wohler fühle, seit wir die Pest bei uns haben.»
    Der andere kürzte seine Rede ab:
    «Wie kann man mit dieser Organisation in Verbindung treten?»
    «Ah, das ist nicht einfach», sagte Cottard, «kommen Sie mit.»
    Es war vier Uhr nachmittags. Die Stadt schmorte unter einem bleischweren Himmel. Alle Geschäfte hatten ihre Markisen heruntergelassen. Die Straßen waren menschenleer. Cottard und Rambert schlugen Arkadengänge ein und gingen lange, ohne zu reden. Es war eine jener Stunden, in denen die Pest sich unsichtbar machte. Diese Stille, dieses Absterben der Farben und Bewegungen konnten genauso gut die des Sommers wie die der Seuche sein: Man wusste nicht, ob die Luft von Gefahren oder von Staub und sengender Hitze schwer war. Man musste beobachten und nachdenken, um auf die Pest zu kommen. Denn sie verriet sich nur durch negative Zeichen. Cottard, der eine Affinität zu ihr hatte, machte Rambert zum Beispiel auf das Fehlen von Hunden aufmerksam, die normalerweise auf der aussichtslosen Suche nach Kühle in den Hauseingängen hechelnd auf der Seite hätten liegen müssen.
    Sie bogen in den Boulevard des Palmiers ein, überquerten die Place d’Armes und gingen in das Quartier de la Marine hinunter. Zur Linken suchte ein grüngestrichenes Café Schutz unter einer schrägen Markise aus grobem gelbem Tuch. Beim Hineingehen wischten sich Cottard und Rambert die Stirn ab. Sie nahmen auf Gartenklappstühlen an grünen Blechtischen Platz. Das Lokal war völlig ausgestorben. Fliegen sirrten durch die Luft. In einem gelben Käfig auf der wackligen Theke hockte ein Papagei auf seiner Stange und ließ alle Flügel hängen. Alte Bilder aus dem Soldatenleben hingen an der Wand, verdreckt und mit einer dicken Schicht Spinnengewebe überzogen. Auf allen Blechtischen, auch auf dem vor Rambert, trocknete Hühnermist, dessen Herkunft er sich nicht erklären konnte, bis nach kurzem Getöse ein prächtiger Hahn aus einer dunklen Ecke hervorgehüpft kam.
    Die Hitze schien im Augenblick noch zuzunehmen. Cottard zog seine Jacke aus und klopfte auf das Blech. Ein kleiner Mann, der in einer langen blauen Schürze ertrank, kam von hinten, begrüßte Cottard, sobald er ihn sah, stieß im Näherkommen mit einem kräftigen Fußtritt den Hahn beiseite und fragte unter dem Gegacker des Federviehs, was er den Herren bringen solle. Cottard wollte Weißwein und erkundigte sich nach einem gewissen Garcia. Dem Knirps zufolge hatte man ihn schon mehrere Tage nicht im Café gesehen.
    «Glauben Sie, dass er heute Abend kommt?»
    «Ha!», sagte der andere. «Ich stecke nicht in seiner Haut. Sie kennen doch seine Zeit?»
    «Ja, aber es ist nicht sehr wichtig. Ich möchte ihm nur einen Freund vorstellen.»
    Der Kellner wischte sich die feuchten Hände vorne an der Schürze ab.
    «Aha, der Herr hat auch mit Geschäften zu tun?»
    «Ja», sagte Cottard.
    Der Knirps sagte schniefend:
    «Dann kommen Sie heute Abend wieder. Ich schicke den Jungen zu ihm.»
    Beim Hinausgehen fragte Rambert, um was für Geschäfte es sich handle.
    «Um Schleichhandel natürlich. Sie schmuggeln Waren in die Stadt ein. Sie verkaufen sie zu überhöhten Preisen.»
    «Gut», sagte Rambert. «Haben sie Helfershelfer?»
    «Genau.»
    Am Abend war die Markise hochgedreht, der Papagei plapperte in seinem Käfig, und um die Blechtische saßen Männer in Hemdsärmeln. Einer von ihnen, mit zurückgeschobenem Strohhut, weißem, über einer rotbraungebrannten Brust offenem Hemd, stand auf, als Cottard eintrat. Er hatte ein ebenmäßiges, sonnenverbranntes Gesicht, kleine schwarze Augen, weiße Zähne, zwei oder drei Ringe an den Fingern und sah aus wie etwa dreißig.
    «Salut», sagte er, «trinken wir einen an der Theke.»
    Sie tranken schweigend drei Runden.
    «Gehen wir?», sagte Garcia dann.
    Sie gingen zum Hafen hinunter, und Garcia fragte, was man von ihm wolle. Cottard sagte, es gehe nicht direkt um Geschäfte, weshalb er ihm Rambert vorstellen wolle, sondern nur um das, was er «einen Ausflug» nannte. Garcia ging rauchend geradeaus. Er stellte Fragen und sagte «er», wenn er von Rambert sprach, scheinbar ohne dessen Anwesenheit zu bemerken.
    «Wozu?», sagte er.
    «Seine Frau ist in Frankreich.»
    «Aha!»
    Und nach einer Weile:
    «Was ist er von Beruf?»
    «Journalist.»
    «Das ist ein Beruf, in dem viel geredet wird.»
    Rambert schwieg.
    «Er ist ein Freund», sagte Cottard.
    Sie gingen schweigend weiter. Sie waren an den Kais

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