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Die Pest (German Edition)

Die Pest (German Edition)

Titel: Die Pest (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Das Tor wurde von bewaffneten Posten bewacht, und hin und wieder drang ein seltsamer Schrei über den Hof, der zwischen der Kaserne und dem Tor lag. Dann wandten sich unter den Anwesenden besorgte Gesichter dem Krankenrevier zu.
    Die drei Männer sahen sich dieses Schauspiel an, als ein deutliches, gesetztes «Guten Tag» in ihrem Rücken sie veranlasste, sich umzudrehen. Trotz der Hitze war Raoul sehr korrekt gekleidet. Er war groß und kräftig, trug einen dunklen Zweireiher und einen Filzhut mit aufgeschlagener Krempe. Sein Gesicht war ziemlich blass. Raoul hatte braune Augen, einen zusammengepressten Mund und sprach schnell und präzise:
    «Gehen wir in die Stadt hinunter», sagte er. «Garcia, du kannst verschwinden.»
    Garcia zündete sich eine Zigarette an und wartete, bis sie sich entfernten. Sie passten sich dem Tempo von Raoul an, der den Platz zwischen ihnen eingenommen hatte, und gingen schnell.
    «Garcia hat mich unterrichtet», sagte er. «Das lässt sich machen. Jedenfalls kostet es Sie zehntausend Francs.»
    Rambert antwortete, er sei einverstanden.
    «Essen Sie morgen im spanischen Restaurant im Marine-Viertel mit mir zu Mittag.»
    Rambert sagte, das gehe in Ordnung, und Raoul drückte ihm, zum ersten Mal lächelnd, die Hand. Nachdem er gegangen war, entschuldigte sich Cottard. Er habe am nächsten Tag keine Zeit, und außerdem brauche Rambert ihn ja nicht mehr.
    Als der Journalist am nächsten Tag das spanische Restaurant betrat, drehten alle, an denen er vorbeikam, die Köpfe nach ihm um. In diesem schummerigen Keller, der unterhalb einer kleinen gelben, von der Sonne ausgetrockneten Straße lag, verkehrten nur Männer, die meisten von spanischem Typ. Aber sobald Raoul, der an einem Tisch weit hinten saß, dem Journalisten zugewinkt hatte und Rambert auf ihn zuging, schwand die Neugier aus den Gesichtern, die sich wieder ihren Tellern zuwandten. An Raouls Tisch saß ein großer dünner und unrasierter Typ mit übermäßig breiten Schultern, einem Pferdegesicht und schütterem Haar. Seine langen, dünnen, schwarzbehaarten Arme kamen aus einem Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln hervor. Er nickte dreimal, als Rambert ihm vorgestellt wurde. Sein Name war nicht genannt worden, und Raoul sprach von ihm nur als von «unserem Freund».
    «Unser Freund glaubt, dass er die Möglichkeit hat, Ihnen zu helfen. Er wird Sie …»
    Raoul unterbrach sich, weil die Bedienung wegen Ramberts Bestellung dazwischenkam.
    «Er wird Sie mit zweien unserer Freunde zusammenbringen, die Sie mit den Wachposten bekannt machen, die uns ergeben sind. Damit ist es aber noch nicht getan. Die Wachen müssen selbst den günstigen Moment bestimmen. Am einfachsten wäre, wenn Sie ein paar Nächte bei einem übernachteten, der in der Nähe der Tore wohnt. Aber vorher muss unser Freund Ihnen die notwendigen Kontakte verschaffen. Wenn alles so weit ist, werden Sie ihm die Kosten bezahlen.»
    Der Freund nickte noch einmal mit seinem Pferdekopf, ohne aufzuhören, den Tomatensalat mit Peperoni zu zermalmen, den er verschlang. Dann sprach er mit einem leichten spanischen Akzent. Er schlug Rambert vor, sich am übernächsten Tag um acht Uhr morgens am Portalvorbau der Kathedrale zu treffen.
    «Noch zwei Tage», bemerkte Rambert.
    «Es ist nicht so einfach», sagte Raoul. «Die Leute müssen erst gefunden werden.»
    Das Pferd warf noch einmal den Kopf in die Höhe, und Rambert stimmte ohne Begeisterung zu. Das übrige Mittagessen verging auf der Suche nach einem Gesprächsthema. Aber alles wurde ganz einfach, als Rambert entdeckte, dass das Pferd Fußball spielte. Er selbst hatte diesen Sport viel getrieben. Sie sprachen also über die Meisterschaften in Frankreich, über die Qualität der englischen Profimannschaften und die Taktik mit drei Sturmspitzen. Bei Beendigung des Mittagessens war das Pferd ganz aufgekratzt und duzte Rambert, um ihn davon zu überzeugen, dass es in einer Mannschaft keine schönere Position gebe als die des Mittelläufers. «Verstehst du», sagte er, «der Mittelläufer, der ordnet das Spiel an. Und das Spiel anordnen, das ist Fußball.» Rambert war der gleichen Meinung, obwohl er immer Mittelstürmer gespielt hatte. Die Diskussion wurde nur durch ein Radio unterbrochen, das, nachdem es gedämpft sentimentale Melodien gedudelt hatte, verkündete, die Pest habe am Vortag hundertsiebenunddreißig Todesopfer gefordert. Keiner der Anwesenden reagierte. Der Mann mit dem Pferdegesicht zuckte die Achseln und stand auf. Raoul

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