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Die Pest (German Edition)

Die Pest (German Edition)

Titel: Die Pest (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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zu dem Journalisten. «Das wäre normal.»
    Er erklärte, er habe an einem anderen Treffpunkt, den er mit seinen Freunden nicht weit weg um zehn vor acht verabredet hatte, auf sie gewartet. Aber er habe zwanzig Minuten vergeblich gewartet.
    «Es ist etwas dazwischengekommen, das ist sicher. Bei der Arbeit, die wir tun, ist man nicht immer ungestört.»
    Er schlug eine neue Verabredung für den nächsten Tag zur gleichen Zeit am Gefallenendenkmal vor. Rambert seufzte und schob seinen Filzhut nach hinten.
    «Das ist nicht schlimm», schloss Gonzalès lachend. «Denk doch nur an all die Kombinationen, Vorstöße und Pässe, die nötig sind, bis man ein Tor schießt.»
    «Ja, sicher», sagte Rambert dazu. «Aber das Spiel dauert nur anderthalb Stunden.»
    Das Denkmal für die Gefallenen von Oran steht an der einzigen Stelle, von der aus man das Meer sehen kann, einer Art Promenade, die auf einer recht kurzen Strecke an den Klippen über dem Hafen entlangführt. Am nächsten Tag war Rambert als Erster am Treffpunkt und las aufmerksam die Liste der auf dem Feld der Ehre Gefallenen. Ein paar Minuten später näherten sich zwei Männer, sahen ihn gleichgültig an, lehnten sich dann an die Brüstung der Promenade und schienen ganz in den Anblick der leeren, ausgestorbenen Kais versunken. Sie waren gleich groß und trugen beide eine blaue Hose und ein Matrosentrikot mit kurzen Ärmeln. Der Journalist entfernte sich ein Stück, setzte sich auf eine Bank und konnte sie in aller Ruhe beobachten. Dabei stellte er fest, dass sie wahrscheinlich nicht älter als zwanzig waren. In diesem Moment sah er Gonzalès, der auf ihn zukam und sich entschuldigte.
    «Da sind unsere Freunde», sagte er und führte ihn zu den beiden jungen Männern, die er als Marcel und Louis vorstellte. Von vorne sahen sie sich sehr ähnlich, und Rambert hielt sie für Brüder.
    «So», sagte Gonzalès. «Kennengelernt habt ihr euch jetzt. Nun müssen wir die Sache als solche arrangieren.»
    Darauf sagte Marcel oder Louis, ihr Wachdienst beginne in zwei Tagen, dauere eine Woche, und man müsse den günstigsten Tag ausmachen. Sie bewachten das Westtor zu viert, und die beiden anderen waren Berufssoldaten. Es kam nicht in Frage, sie einzuweihen. Sie waren nicht vertrauenswürdig, und außerdem würde das die Kosten erhöhen. Aber es kam manchmal vor, dass die beiden Kollegen einen Teil der Nacht im Hinterzimmer einer Bar verbrachten, die sie kannten. Marcel oder Louis schlug Rambert also vor, sich bei ihnen in der Nähe der Tore einzuquartieren und zu warten, bis er geholt wurde. Dann sei der Durchgang ganz einfach. Aber man müsse sich beeilen, weil seit kurzem davon gesprochen werde, außerhalb der Stadt Doppelposten aufzustellen.
    Rambert stimmte zu und bot einige seiner letzten Zigaretten an. Der eine der beiden, der noch nicht geredet hatte, fragte Gonzalès, ob die Kostenfrage geregelt sei und ob man einen Vorschuss bekommen könne.
    «Nein», sagte Gonzalès, «das ist nicht nötig, er ist ein Kumpel. Die Kosten werden bei der Abreise bezahlt.»
    Sie verabredeten ein weiteres Treffen. Gonzalès schlug für den übernächsten Tag ein Abendessen im spanischen Restaurant vor. Von dort könnten sie zum Haus der Wachposten gehen.
    «In der ersten Nacht leiste ich dir Gesellschaft», sagte er zu Rambert.
    Am nächsten Tag begegnete Rambert, als er zu seinem Zimmer hinaufging, Tarrou auf der Treppe des Hotels.
    «Ich gehe zu Rieux», sagte der, «wollen Sie mitkommen?»
    «Ich bin nie sicher, ob ich ihn nicht störe», sagte Rambert nach kurzem Zögern.
    «Das glaube ich nicht, er hat viel von Ihnen gesprochen.»
    Der Journalist überlegte.
    «Hören Sie», sagte er. «Wenn Sie nach dem Abendessen einen Moment Zeit haben, auch wenn es spät wird, kommen Sie doch beide in die Hotelbar.»
    «Das hängt von ihm und von der Pest ab», sagte Tarrou.
    Doch um elf Uhr abends betraten Rieux und Tarrou die enge kleine Bar. Darin drängten sich etwa dreißig Leute und redeten sehr laut. Aus der Stille der verpesteten Stadt kommend, blieben die beiden Ankömmlinge etwas betäubt stehen. Als sie sahen, dass hier noch Alkohol ausgeschenkt wurde, verstanden sie diesen Trubel. Rambert saß am Ende der Theke und winkte ihnen von seinem Barhocker aus zu. Sie stellten sich neben ihn, wobei Tarrou in aller Ruhe einen lautstarken Nachbarn verdrängte.
    «Haben Sie keine Angst vor dem Alkohol?»
    «Nein, im Gegenteil», sagte Tarrou.
    Rieux sog den Geruch von bitteren Kräutern aus

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