Die Pest (German Edition)
habe ich mich nicht verändert. Seit langer Zeit schäme ich mich, schäme mich tödlich, dass auch ich, wenn auch nur von ferne, wenn auch aus einer guten Gesinnung, ein Mörder gewesen bin. Mit der Zeit habe ich einfach festgestellt, dass selbst die, die besser sind als andere, heute nicht umhinkönnen, zu töten oder töten zu lassen, weil es in der Logik liegt, in der sie leben, und dass wir in dieser Welt keine Bewegung machen können, ohne Gefahr zu laufen, zu töten. Ja, ich habe mich weiter geschämt, ich habe gelernt, dass wir alle im Zustand der Pest sind, und ich habe den Frieden verloren. Ich suche ihn noch heute, indem ich versuche, alle zu verstehen und niemandes Todfeind zu sein. Ich weiß nur, dass man das Nötige tun muss, um kein Verpesteter zu sein, und dass wir nur dadurch auf Frieden hoffen können oder doch wenigstens auf einen guten Tod. Das ist es, was die Menschen erleichtern kann und ihnen, wenn es sie auch nicht rettet, zumindest so wenig Böses wie möglich zufügt und manchmal sogar ein wenig Gutes. Und deshalb habe ich beschlossen, alles abzulehnen, was von nah oder ferne, aus guten oder schlechten Gründen tötet oder rechtfertigt, dass getötet wird.
Deshalb lerne ich durch die Epidemie auch nichts, außer, dass ich sie an Ihrer Seite bekämpfen muss. Ich weiß ganz sicher (ja, Rieux, ich weiß alles vom Leben, das merken Sie wohl), dass jeder sie in sich trägt, die Pest, weil kein Mensch, nein, kein Mensch auf der Welt von ihr unberührt ist. Und dass man sich ständig überwachen muss, um in einem Moment der Zerstreutheit nicht dazu zu kommen, einem anderen ins Gesicht zu atmen und ihn anzustecken. Die Mikroben sind naturgegeben. Das Übrige, die Gesundheit, die Unversehrtheit, die Reinheit, wenn Sie so wollen, ist eine Folge des Willens, und zwar eines Willens, der nie nachlassen darf. Der anständige Mensch, der fast niemanden ansteckt, ist der, der sich am wenigstens zerstreuen lässt. Und man braucht Willen und Anspannung, um nie zerstreut zu sein! Ja, Rieux, es ist sehr anstrengend, verpestet zu sein. Aber es ist noch anstrengender, es nicht sein zu wollen. Deswegen sind alle müde, weil heute alle ein wenig verpestet sind. Aber deswegen empfinden einige, die aufhören wollen, es zu sein, eine völlige Übermüdung, von der sie nichts mehr befreien wird als der Tod.
Ich weiß, dass ich bis dahin für diese Welt nichts mehr wert bin und dass ich mich von dem Augenblick an, als ich dem Töten entsagt habe, zu einem endgültigen Exil verurteilt habe. Die Geschichte wird von den anderen gemacht werden. Ich weiß auch, dass ich über diese anderen wahrscheinlich nicht urteilen kann. Mir fehlt eine Eigenschaft, um einen anständigen Mörder abzugeben. Es ist also keine Überlegenheit. Aber jetzt bejahe ich, dass ich bin, was ich bin, ich habe Bescheidenheit gelernt. Ich sage nur, dass es auf dieser Erde Plagen und Opfer gibt und dass man sich, so weit wie möglich, weigern muss, auf Seiten der Plage zu sein. Das erscheint Ihnen vielleicht etwas simpel, und ich weiß nicht, ob es simpel ist, aber ich weiß, dass es wahr ist. Ich habe so viele Diskussionen gehört, die mir fast den Kopf verdreht hätten und die genügend andere Köpfe verdreht haben, bis sie dem Morden zustimmten, dass ich verstanden habe, dass das ganze Unglück der Menschen entsteht, weil sie keine klare Sprache sprechen. Da habe ich den Entschluss gefasst, klar zu sprechen und zu handeln, um auf den richtigen Weg zu kommen. Folglich sage ich, dass es Plagen und Opfer gibt, und sonst nichts. Wenn ich damit selbst zur Plage werde, stimme ich dem wenigstens nicht zu. Ich versuche ein unschuldiger Mörder zu sein. Wie Sie sehen, bin ich nicht sehr ehrgeizig.
Es sollte natürlich eine dritte Kategorie geben, die der wahren Ärzte, aber von denen findet man nicht viele, und es muss schwer sein. Deshalb habe ich beschlossen, mich bei jeder Gelegenheit auf die Seite der Opfer zu stellen, um den Schaden zu begrenzen. Unter ihnen kann ich wenigstens danach suchen, wie man zur dritten Kategorie kommt, das heißt zum Frieden.»
Als Tarrou zu Ende geredet hatte, ließ er ein Bein baumeln und klopfte leicht mit dem Fuß auf die Terrasse. Nach einem Schweigen richtete sich der Arzt etwas auf und fragte, ob Tarrou eine Vorstellung von dem Weg habe, den man einschlagen müsse, um zum Frieden zu kommen.
«Ja, Mitgefühl.»
Das Bimmeln von zwei Krankenwagen ertönte in der Ferne. Die vorhin undeutlichen Rufe verdichteten sich an
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