Die Pestärztin
ab. Der Plan, den seine Gattin ihm eben unterbreitet hatte, war zu ungeheuerlich. »Es wäre auch viel zu gefährlich!«
Lucia blieb in ihrem Sessel sitzen. Sie war längst fest entschlossen, und die Herzogin hatte zugestimmt. Jetzt musste sie nur noch Clemens überzeugen.
»Du hast selbst gesagt, bei gesunden Menschen sei das Risiko gering«, argumentierte sie.
»Ja, bei einer Operation, die eine halbe oder eine Stunde dauert. Aber doch nicht für drei Tage! Und so lange dauert es, bis sie die Leiche gewaschen und aufgebahrt und dann glücklich in die Gruft gebracht haben. Das ist völlig undenkbar, ganz abgesehen von dem Abenteuer, dann auf dem Friedhof einzubrechen und ...«
»Nur in die Kirche im Kloster. Sie würde bestimmt in ihrer Lieblingskapelle bestattet, die hat sie doch gestiftet. Wir könnten durch die Sakristei hinein und brauchten nur die Marmorplatte ...«
»Nur die Marmorplatte! Um die als einzelner Mensch zu bewegen, bräuchte man die Kraft eines Herkules! Aber wie ich schon sagte, so weit kämen wir erst gar nicht.« Clemens schüttelte den Kopf.
Doch Lucia ließ sich nicht unterkriegen. Zu gut war die Idee, Elisabeths Tod mit Hilfe der Betäubungsschwämmchen vorzutäuschen.
»Die Nonnen würden das auch merken«, sprach Clemens weiter. »Wenn sie den Leichnam waschen und anziehen. Das Herz hört ja nicht auf zu schlagen. Und die Atmung verlangsamt sich zwar ein wenig, setzt aber nicht aus. Es gibt keine Leichenstarre ...«
Lucia nickte geduldig. »Ich weiß. Aber zumindest hier auf der Burg wird man ihr gar nicht nahe genug kommen, um das festzustellen. Clemens, die Wachleute sind dumm! Und der Herzog und Frau Margarethe sind abergläubisch. Die werden sie nicht anrühren, wenn sie leblos im Bett liegt! Vielleicht müsste man sie auch gar nicht so lange schlafen lassen. Nach den ersten Stunden könnte sie sich auch tot stellen ...«
Clemens fasste sich an die Stirn.
»Während die Nonnen sie waschen und aufbahren? Während der Totenwache? Während man sie in einen Sarg legt und in eine Gruft bettet? Glaub mir, ich weiß, wie man sich in einer engen Kiste unter der Erde fühlt. Und ich hätte das Versteck von Greves mit einem Handgriff aufstemmen können! Elisabeth dagegen müsste sich bei vollem Bewusstsein lebendig begraben lassen. So viel Selbstbeherrschung hat kein Mensch!«
»Dann muss sie eben schlafen«, kam Lucia auf ihren ursprünglichen Plan zurück. »So lang sind drei Tage auch nicht. So mancher Gauner verbringt sie oft genug im Branntweinrausch. Und ich würde doch die Totenwache halten. Ich wäre immer bei ihr und könnte die Betäubung kontrollieren ...«
Clemens war immer noch nicht überzeugt.
»Was sagt sie denn dazu?«, fragte er unwillig. »Hast du ihr erklärt, welche Gefahren damit verbunden sind?«
Lucia nickte. »Sie sagt, alles sei besser als das Leben, das sie heute führt. Und sie ist fest entschlossen, Hand an sich zu legen. Sie hat es bisher nur nicht getan, weil der Gedanke an Adrians Verbleib sie nicht ruhen ließ. Aber jetzt, da sie weiß, dass er wohlauf ist ...«
»Nicht auszudenken, was er tun wird, wenn ihm das wieder zu Ohren kommt!«, seufzte Clemens. »Er wird immer besser mit dem Schwert. Irgendwann begeht er eine Dummheit, und dann hängen sie ihn womöglich doch noch an die Zinnen der Burg.«
»Da siehst du's!«, erklärte Lucia zufrieden. »Es gibt gar keine andere Möglichkeit. Lass es mich machen, bitte! Wenn ihr Herz nicht durchhält, lasse ich sie einfach wieder aufwachen! Dann haben wir eben ein Wunder. Kann ja sein, dass es an das Gewissen des Herzogs rührt.«
»Jedenfalls könnte sie dann hier herauskommen«, überlegte Clemens. »Wenn man sie nach Seligenthal bringt und sie dort von den Toten aufersteht ... die Nonnen werden sie nicht zurückschicken, falls sie beschließt, zum Dank für ihre Rettung den Schleier zu nehmen.«
»Da siehst du's!«, wiederholte Lucia. »Was auch immer passiert, es kann sich nur zum Guten wenden. Wir haben übrigens auch schon alles abgesprochen. In einer oder zwei Wochen wird Elisabeth behaupten, sich schlecht zu fühlen. Dann ist sie ein paar Tage krank, und schließlich ...«
Clemens schüttelte fassungslos den Kopf. »Du hast also gar nicht auf meine Zustimmung gewartet!«, erregte er sich. »Das alles war längst beschlossen!«
Lucia küsste ihn. »Ich stelle die Schwämmchen inzwischen selbst her, Liebster«, sagte sie sanft. »Ich brauche deine Erlaubnis nicht.« Ihr zärtliches Lächeln
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