Die Pestmagd
wird«, krakeelte eine offensichtlich angetrunkene Frau.
Sie hatten die Katze mit allen vier Läufen an einen Spieß gebunden und machten Anstalten, sie ebenfalls ins Feuer zu halten – bei lebendigem Leib!
» Nicht Mieze!«, schrie eine alte Frau mit aufgelösten Silberhaaren, die ein starker Kerl lachend auf den Stuhl niederdrückte, damit sie sich nicht rührte. » Das dürft ihr nicht! Sie gehört doch meiner Johanna …«
In Vincents Kopf überschlugen sich die Bilder.
Die Katze war weiß – bis auf ein schwarzes Mal neben dem Maul. Sie schrie und jaulte in Todesangst, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte.
» Ich kauf sie euch ab«, schrie er so laut er nur konnte. » Und die nächsten beiden Runden gehen auf mich. Einverstanden?«
» Die nächsten drei«, verlangte die Frau mit schwerer Zunge. » Wenn du uns schon um unser Vergnügen bringen willst. Gebt ihm das Vieh – soll es ab jetzt doch ihn zerkratzen!«
Die Katze hielt still, als er sie von den Schnüren befreite, dann zog sie ihm blitzschnell die Krallen über die Hand und verschwand wie ein Blitz unter einem der Tische.
Die alte Frau schaute ihn mit leerem Ausdruck an.
» Du bist Sabeth?«, fragte Vincent leise. » Johannas alte Magd?«
Keinerlei Reaktion. Ebenso gut hätte er zu einem Stein sprechen können.
» Du bist doch Sabeth«, wiederholte er. » Sabeth aus dem Lilienhaus?«
Ein unmerkliches Nicken. Etwas in den Augen der Alten schien sich zu verändern.
» Hennes Arnheim hat gesagt …«
» Hennes Arnheim ist ein böser Mensch«, fuhr sie ihn an. » Er will nicht mehr, dass ich dort wohne. Dabei ist es doch mein Zuhause …«
» Vergiss ihn!«, sagte Vincent. » Komm, ich nehme dich mit!«
Er reichte ihr die Hand, um ihr das Aufstehen zu erleichtern, und sie ließ es sich gefallen.
» Wer bist du?«, fragte sie, als er sie zur Tür führte. » Ein Engel?«
Er musste lachen.
» So hat mich bislang noch niemand genannt«, sagte Vincent. » Und ich zweifle sehr daran, ob es auch zutrifft.«
» Ein Engel«, beharrte Sabeth, um deren Beine auf einmal die weiße Katze strich, als wollte sie den Aufbruch keineswegs versäumen. » Ich weiß es ganz genau. Und meine Johanna hat dich geschickt.«
x
Graf Bornweg war in dunkelroten Samt gekleidet, als wollte er mit seiner Kleidung zusätzlich auf das hohe Amt des Blutgerichts hinweisen – und er schien ausnehmend schlechter Laune. Überdeutlich war ihm anzumerken, dass er Vincents Vorhaben für überflüssig, ja anmaßend fand, etwas, das ihm die kostbare Zeit stahl, anstatt die Delinquentin schnell und zügig dem Galgen zuzuführen. Hätte es nicht das Schreiben des Erzbischofs gegeben, das Vincent diesem mit Engelszungen abgeschwatzt hatte, er hätte alles gewiss nach wenigen Augenblicken beendet.
Für alle Fälle hatte Vincent es auf den Tisch gelegt.
Hermann von Wied besaß eine großzügige, ein wenig kindliche Handschrift, die schon von Weitem ins Auge stach. Das erzbischöfliche Siegel am Ende des Schreibens ließ zudem keinen Zweifel über die Echtheit aufkommen.
Mit grimmiger Miene wandte der Grewe sich Johanna zu. » Seid Ihr bereit zu gestehen, Witwe Arnheim?«
» Nein«, erwiderte Johanna mit überraschend klarer Stimme. » Denn ich bin unschuldig.« Sie vermied, an sich hinunterzuschauen. Sie wusste auch so, welch ein Bild des Jammers sie abgeben musste in dem alten, unförmigen Kleid, mit dem abgesäbelten Haar, dem Schmutz, den Eisenfesseln. Wenigstens hatte sie ihr Halsband. Kurz vergewisserte sie sich, ob es auch richtig saß.
Bornweg gab ein Schnauben von sich, in dem seine ganze Missbilligung lag.
» Wozu habt Ihr diese Männer hergebracht, Medicus?«, raunzte er. » Und beeilt Euch mit Eurer Antwort! Denn meine Geduld ist schon jetzt am Ende.«
Vincent nickte Weinsberg aufmunternd zu.
» Ich bin Hermann Weinsberg«, begann dieser, während sein Gesicht vor Aufregung fleckig wurde. » Rektor der Kronenburse. Seit Langem kenne ich Johanna Arnheim, und ich habe auch den Glasmaler gekannt …«
» Und weiter?«, unterbrach ihn der Grewe.
» Ich bin gekommen, um für sie zu bürgen. Niemals hätte sie ihren Mann getötet.«
» Das wisst Ihr so genau, weil Ihr stets mit dabei wart?« Die Stimme des Grewen troff vor Spott, während Weinsbergs Schecke dunkle Schweißflecken bekam, so aufgeregt war er.
» Er ist ein ehrbarer Bürger Kölns«, kam Vincent dem Rektor zu Hilfe. » Und einen weiteren habe ich ebenfalls hergebeten: Meister Dietrich Hantsch,
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