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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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hatten, sie nicht wieder verlassen. Und wenn die Pest, die in letzter Zeit so viele aus ihrer heimlichen kleinen Gemeinschaft dahingerafft hatte, auch nicht vor dem Apotheker haltmachte? Der Bäcker, der Drucker, der Sattler, der Goldschmied und ihre Familien – konnte es Zufall sein, dass so viele aus ihren Reihen gestorben waren?
    Unruhig ging sie zurück in die Küche, um nach dem Linseneintopf zu schauen, den sie aufgestellt hatte. Sie hatte eindeutig zu viel Holz nachgelegt. Im Topf brodelte es wie wild, und als sie den Deckel anhob, schoss ein dunkelbrauner Strahl auf ihr Kleid. Ausgerechnet jetzt – wo sie doch ohnehin kaum noch etwas zum Anziehen besaß, worin ihr Bauch passte!
    Ennelin schob den Topf zur Seite, verbrannte sich dabei Mittel- und Zeigefinger und schrie vor Schmerz auf. Sie watschelte zur Tür, riss sie auf und atmete erleichtert die kalte Spätherbstluft ein.
    Dann stutzte sie plötzlich. Wer hatte ihnen da ein Geschenk auf die Schwelle gelegt? Dankbare Badekunden, die die entspannenden Stunden in der Wanne oder dem heißen Dampf vermissten?
    Gerade wollte sie sich nach dem Kleiderbündel bücken, als Ludwigs missbilligende Stimme sie zurückhielt.
    » Wann wirst du endlich anfangen, dich zu schonen?« Seine Lippen streiften kurz ihre warme Stirn. » Ich kann nicht verstehen, wie unvorsichtig du noch immer bist!«
    » Ich bin schwanger, nicht krank«, sagte sie mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. » Ich kann mich nicht die ganze Zeit schonen. Auch wenn ich noch sehr jung bin.«
    » Unser Sohn soll gesund zur Welt kommen, und gesund will ich ihn aufwachsen sehen. Darauf kommt es jetzt an.« Sein Fuß stieß gegen das Bündel. » Was soll das überhaupt sein? Lumpenware? Wir sind doch keine Bettler, denen man abgelegte Kleider zukommen lässt!«
    Der Haufen war in seine Einzelteile zerfallen.
    » Sieh doch nur, wie schön!«, rief Ennelin. » Ein grünes Kleid, wie ich es mir schon lange gewünscht habe. Und weit genug scheint es auch zu sein. Ich glaube, das könnte sogar bis zur Geburt passen!«
    » Meine Frau muss nichts von anderen Leuten auftragen«, sagte Ludwig grimmig. » So weit sind wir noch lange nicht. Das ganze Zeug wird weggeworfen!«
    » Aber doch nicht diese schönen Windeln! Wie fein und zart das Leinen ist, hast du das nicht gesehen? Damit würde unser Sohn besonders gut schlafen.«
    Widerwillig ging Ludwig in die Knie und zupfte den Haufen weiter auseinander.
    » Und was ist das hier?« Anklagend hielt er ein Mieder in die Höhe. » Rotz? Oder sogar Blut?« Es folgte ein Rock, dann ein grünliches Kinderwams, das einmal einem kleinen Jungen gehört haben mochte. » Das ganze Zeug hat schon jemand angehabt – und gründlich eingeschmutzt!« Er raffte das Bündel zusammen. » Kommt alles in den Ofen. Wer weiß, woher es stammt.«
    Schmollend ging Ennelin neben ihm in die Küche, wo er den Topf zur Seite schob und die Kleider nach und nach ins Feuer stopfte.
    » Man hätte alles waschen können«, sagte sie, während ein seltsamer Geruch sich ausbreitete. » Und anschließend wieder in Gebrauch nehmen. Wer weiß, wie lange wir uns noch leisten können, so verschwenderisch zu sein.«
    » Das sagst ausgerechnet du, die Apothekertochter?«, fuhr er sie an. » Dein Vater hat doch Geld wie Heu! Wenn er nicht so gottverdammt knauserig wäre und mehr davon herausrücken würde, könnte es sehr viel einfacher für uns sein.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    » Hör auf zu fluchen! Ich mag das nicht«, sagte Ennelin. » Und das weißt du ganz genau. Kein guter Christ missbraucht den Namen des Herrn, und wenn du zu uns gehören willst, musst auch du dich daran halten. Mein Vater ist krank. Und meine Mutter außer sich vor Sorge. Außerdem hat er uns doch schon mehr als genug gegeben. Ohne seine Unterstützung hättest du niemals das Pesthaus pachten können.«
    » Manchmal wünschte ich, ich hätte meine Finger davon gelassen. Es ist ein Fass ohne Boden, frisst mehr, als es abwirft. So viele sterben, ohne auch nur einen Groschen bezahlt zu haben, und ihre Angehörigen, falls sie überhaupt noch welche haben, denken nicht daran, für die Schulden aufzukommen.«
    » Geld, Geld, immer nur Geld«, sagte Ennelin ungewohnt scharf. » Ich kann es schon nicht mehr hören! Ist das alles, woran du denken kannst?«
    » Geld ist wichtig. Sehr wichtig sogar. Das wirst du auch noch merken, wenn es ausgeht«, sagte Ludwig mit grimmiger Miene. » Aber wer wie du bislang niemals

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