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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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durch sie strömte. Sein Hals war innen und außen wund. Doch obwohl er seine Verfolger hinter sich herkrakeelen hörte, blieb er erst schwer atmend stehen, als er an der Ehrenpforte angelangt war.
    Der Wächter warf ihm einen zerstreuten Blick zu. Zu oft hatte er den abgerissenen jungen Mann jetzt schon kommen und gehen sehen, ebenso wie die anderen Elendsgestalten, die ihn manchmal begleiteten. Es wurden mehr, von Tag zu Tag. Manchmal schien die ganze Stadt nur noch aus ihnen zu bestehen.
    Mit einer müden Geste winkte er Jakob hinein. Danach setzte er seinen Humpen an und leerte ihn in einem Zug.

NEUN
    D as kleine Mädchen schrie, bis Ennelin es wieder beruhigt hatte, während aus Wenzels winzigem Mund Quietscher kamen wie von einem Kätzchen, das sich nass gemacht hat. Die hellen Laute drangen Johanna in die Haut wie ein Haken, der durchs Fleisch fährt.
    Genauso hatte damals Jakob geklungen, den sie in einer Kammer des Freiburger Badehauses zur Welt gebracht hatte. Ulrich, der Bader, kümmerte sich nach der Niederkunft um alles, was nötig war: zwei Zimmer in einem windschiefen Haus, in das wenig später auch Ita ziehen sollte. Ihre Arbeit zwischen Wannen und Feudeln musste sie allerdings nicht lange verrichten, weil Ulrich hinter das Geheimnis ihrer begabten Hände kam, von dem sie selbst bislang nichts gewusst hatte. Schon bald strömten Frauen und Männer von nah und fern zu Johanna, um sich von Schmerzen befreien zu lassen, die ihnen das Leben schwergemacht hatten und die wie durch Zauberspiel verschwanden, wenn sie sie lang genug an der richtigen Stelle durchgewalkt und geknetet hatte.
    Natürlich wurden die anderen Bademägde rasch misstrauisch. Eifersüchtig beäugten sie Johannas Sonderstellung, dichteten ihr Männergeschichten an und scheuten nicht einmal davor zurück, sie einer heimlichen Liebschaft mit Ulrich zu verdächtigen, der doch nichts anderes als ein väterlicher Freund war, Geschäftssinn besaß und rasch bemerkt hatte, wen ihm da ein gnädiges Schicksal ins Haus geweht hatte.
    In Johannas Leben hatte es damals nur einen einzigen Mann gegeben – Jakob, den sie mit jeder Faser ihres Seins liebte. Ihr Kind war außergewöhnlich, und selbst die stumpfesten Menschen schienen das zu bemerken. Er konnte alles in seiner Nähe zum Leuchten bringen, war so aufgeweckt und neugierig, dass er alle Altersgenossen bald übertraf.
    Aber dachten das nicht alle Mütter?
    In Ennelins rundem Gesicht, das wie der Vollmond über ihren Kindern schwebte, lag so grenzenloses Glück, dass Johanna sich abwenden musste, weil sie den Anblick nicht länger ertrug. Sobald sie an ihren toten Mann dachte, konnte die junge Wöchnerin allerdings erneut in Tränen versinken. In raschem Wechsel taumelte sie von einem Gefühlszustand in den anderen, und beides war für Johanna ähnlich schwer auszuhalten.
    » Ich danke dir, Ludwig«, hörte sie sie murmeln. » Für alles. Ich war nicht immer gerecht zu dir.«
    » Ich auch nicht«, sagte Johanna knapp.
    » Und … hat ihn schon der Karren …« Sie konnte nicht weitersprechen. Dass Geburt und Tod sich an einem Tag berührt hatten, würde sie ein Leben lang mit sich herumtragen.
    » Dazu sind wir verpflichtet«, sagte Johanna. » Aus Rücksicht auf die Lebenden. Aber er ist in Frieden gegangen. Seine letzten Worte haben dir gegolten und den Kindern, Wenzel und …«
    » Elisabeth«, sagte Ennelin. » Wir können sie Sabeth rufen.«
    Ein Vorschlag, der Johanna sehr gefiel, auch wenn sie es jetzt nicht zeigte.
    Der kleine Junge begann zu saugen. Ennelins Gesicht verzog sich.
    » Das tut ordentlich weh«, sagte sie. » Dabei dachte ich, er sei der Schwächere von beiden.«
    » Kann später noch schlimmer werden«, sagte Johanna. » Wenn sie erst einmal größer sind und mehr Kraft haben. Manchmal denkst du, sie ziehen dir die Brustspitze gleich mit hinein in ihren gierigen kleinen Schlund.«
    Ennelins Augen ruhten aufmerksam auf ihr.
    Als sei ihr jetzt erst bewusst geworden, was sie da soeben gesagt hatte, fing Johanna an, Leinentücher penibel zusammenzufalten. In der Eile hatten sie alles zusammengerafft, was sie hatten finden können, doch war es nur eine Lösung, die die Not geboren hatte. Dieses unfreiwillige Wochenbett im Pesthaus musste so schnell wie möglich ein Ende haben.
    » Wirst du es nach unten schaffen?«, fragte sie, ohne Ennelin anzusehen. » Grit und ich nehmen dir die Kleinen ab; Marusch kann dich führen. Aber ihr müsst weg von hier – dringend!«
    » Es war

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