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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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habe ich vor. Aber die Entscheidung liegt nicht allein bei mir.«
    » Dann hoffe ich, dass Ihr Euch nicht von üblen Schwätzereien beeinflussen lasst.« Der Bader klang plötzlich bedrückt. » Es gibt da gewisse Kreise in der Stadt, die mir nichts Gutes wünschen. Meine Stuben stehen nämlich den Mädchen aus dem Frauenhaus am Berlich ebenso offen wie den Mitgliedern der nobelsten Gaffeln. Ob arm, ob reich, ob fromm oder sündig – auf meinen Lattenrosten gibt es keinen Unterschied.«
    » Seid ganz unbesorgt! Ich habe in allem meinen eigenen Kopf«, sagte Vincent. » Schon immer. Auch wenn ich mir damit nicht nur Freunde gemacht habe.«
    Die beiden Männer tauschten einen langen Blick.
    » Verratet Ihr mir Euren Namen, damit ich weiß, auf welchen Kunden ich mich freuen kann?«, sagte Weißenburg.
    » Ich bin Vincent de Vries und freue mich, Euch getroffen zu haben.«
    Beschwingt verließ er die Badestube und eilte zurück zu dem kleinen Gasthaus, wo er seine Stute untergestellt hatte. Erst jetzt, nachdem er von Kopf bis Fuß sauber war, war er auch bereit, sein neues Haus zu betreten. Es lag recht nahe in der Marzellenstraße, unweit der wichtigsten Bursen, wo er seine Lehrtätigkeit beginnen sollte.
    Sogar die Stute schien zu spüren, dass das Ziel bald erreicht war. Sie ließ sich brav am Halfter führen und wieherte ab und zu.
    Vincent studierte die Gesichter der Entgegenkommenden. Welchen von ihnen würde er bald als Patienten begrüßen dürfen? Das Recht auf eigene Praxis hatte er sich in langen, äußerst schwierigen Briefwechseln ausbedungen, und es war ihm schließlich gewährt worden. Gespannt fragte er sich, welche Fälle wohl auf ihn warteten.
    Vincent begann zu pfeifen, so gut gelaunt war er, doch plötzlich erstarrte er. Vor ihm ging eine schlanke junge Frau, auf deren Rücken ein dicker blonder Zopf tanzte.
    Vincents Füße schienen wie festgeklebt auf dem Boden, und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Da drehte die Frau sich plötzlich halb um.
    Sie war es nicht. Sie konnte es nicht sein, sonst hätte die Zeit stehen geblieben sein müssen. Und dennoch hatte sich für ein paar Lidschläge diese wilde, diese wahnsinnige Hoffnung in ihm geregt.
    War er denn noch immer nicht kuriert? Lief er wie damals seinen Hoffnungen und Träumen hinterher – nach all den langen Jahren?
    Er hatte plötzlich einen schalen Geschmack im Mund und beschleunigte seine Schritte. Jetzt konnte es ihm gar nicht schnell genug gehen, sein Ziel zu erreichen. Erst wenn die Wände seines neuen Zuhauses ihn schützend umschlossen, würde er hoffentlich aufatmen können.

ZWEI
    V on der Morgensuppe brachte Johanna nur ein paar Löffel hinunter. Dabei schien sie Sabeth heute ausnahmsweise gelungen zu sein und schmeckte weder angebrannt noch versalzen wie leider so oft in letzter Zeit. Noch kurz vor seinem Tod hatte Severin die Steinumrandung des Feuers höher gemauert, damit sich kein fliegender Funke verirren konnte. Trotzdem überfiel Johanna jedes Mal Unbehagen, sobald sie die Alte ungeschickt an der Herdstätte hantieren sah. Aber durfte sie Sabeth alles abnehmen, was diese früher mühelos erledigt hatte?
    » Du magst wieder einmal nicht essen, was ich uns gekocht habe.« Den wässrigen Augen war offenbar nichts entgangen.
    » Was für ein Unsinn!«, widersprach Johanna. » Aber in meinem Magen liegt ein Riesenkloß. Ich muss gleich zu den Nonnen betteln gehen. Und du weißt ja, das Betteln liegt mir nicht.«
    Sabeth schob ihren Holzlöffel ruhelos auf dem Tisch hin und her.
    » Soll ich mitkommen?«, bot sie an. » Ich könnte dir vielleicht helfen.«
    Johanna musterte sie erstaunt. Für einen Augenblick erschien ihr der Vorschlag gar nicht so abwegig. Die Augustinerinnen waren bekannt für ihre Armenfürsorge, und der Anblick einer verwirrten Alten würde sie unter Umständen milder stimmen.
    Dann jedoch verwarf sie den Gedanken wieder. Wer konnte schon wissen, was auf dem Weg dorthin geschehen würde? Ein Vogel, der zufällig zu tief flog, ein schreiendes Kind, jemand, der ihnen aus Versehen zu nah kam – und Sabeth würde sich im Handumdrehen in ein wimmerndes Bündel verwandeln oder zur Furie werden, die trat, nach allem schlug, was sich bewegte, und sich kaum wieder beruhigen ließ.
    » Du hilfst mir am meisten, wenn du das Haus hütest, solange ich fort bin«, sagte Johanna, so bestimmt sie nur konnte. » Hände weg vom Feuer, versprich mir das! Und lass niemanden rein, vor allem nicht Hennes, auch nicht, wenn er

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