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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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bettelt oder droht.« Ihre Stimme wurde weich. » Mieze wird einstweilen auf dich aufpassen. Ich weiß doch, wie gut ihr zwei euch versteht!«
    Die Katze erhob sich, machte einen Buckel und schmiegte sich an Sabeths magere Waden.
    Die Alte nickte, als habe sie jedes Wort verstanden.
    » Wieso bist du heute denn ganz in Schwarz?«, fragte sie unvermittelt, während ihr Blick in unerreichbare Fernen driftete. » Ist jemand gestorben, den ich auch kenne?«
    Johanna legte die Hand behutsam auf den schmalen, silbernen Schädel. » Keine Angst«, murmelte sie, » die Weißen Frauen werden uns schon nicht im Stich lassen!«
    Ihre vorgetäuschte Zuversicht schwand allerdings rasch. Draußen stach die Sonne giftig auf sie herab. Unter dem steifen Barchant begann Johanna heftig zu schwitzen und wusste sich bald nicht anders zu helfen, als die Haube abzustreifen und ihren Weg barhäuptig fortzusetzen. Bei jedem Schritt spürte sie das Gewicht der Silberstücke in der eingenähten Tasche, die beim Gehen an ihren Schenkel schlugen. Sie hatte ihre Geldkatze geplündert und dabei feststellen müssen, wie sehr der kleine Schatz in den vergangenen Monaten zusammengeschmolzen war. Reparaturen am Haus, dazu die fehlenden Einnahmen beim Ausschank, weil die Fässer nahezu leer waren – sie musste dringend wieder an Geld kommen.
    Welchen Preis würden die Weißen Frauen für ihren Wein verlangen, sollte sie überhaupt mit ihnen ins Geschäft kommen? Wie hoch er auch sein mochte – ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als darauf einzugehen, um Sabeths und ihre Zukunft zu sichern.
    Aber was nützte das alles, solange sie kein Pferd besaß! Sie gab sich Mühe, nicht an die feiste Visage des Visierers zu denken, die sie seit Tagen bis in die Träume verfolgte. Eins nach dem anderen, befahl sie sich. Du wirst einen kühlen Kopf bewahren. Schließlich hast du schon so manch andere schwierige Situation gemeistert.
    Bis zur Hochpforte floss der Duffesbach, den sie inzwischen erreicht hatte, offen und so flach, dass man ihn mühelos durchwaten konnte. Eine Schar Kinder spielte im Wasser, schreiend und juchzend, während sie sich übermütig bespritzten. Ein paar Frauen knieten am Ufer, schrubbten ihre Wäsche und schwatzten dabei.
    Johanna zog die Schuhe aus, raffte ihre Röcke bis über die Knie und watete langsam ans andere Ufer. Eine alte Wäscherin schien das strenge Witwenschwarz Johannas zu erschrecken. Sie bekreuzigte sich und verschränkte, als sei das noch nicht genug, die Finger zum Bannzeichen. Dann senkte sie den Kopf und widmete sich weiter ihren Laken.
    Als Johanna endlich vor der Pforte von St. Maria Magdalena stand, geriet ihr Mut erneut ins Wanken. Sie hatte die Priorin als gedrungene Frau mit tiefer Stimme in Erinnerung, die sehr genau wusste, was sie wollte. Beim letzten Besuch war Mutter Christina zunächst abweisend, ja fast feindselig gewesen. Erst Severins Name hatte schließlich eine Spur von Freundlichkeit in ihre strengen Züge gezaubert.
    » Versprechen kann ich nichts.« Mit diesen Worten hatte sie Johanna entlassen. » Doch Ihr mögt erneut anfragen, wenn Ihr denn unbedingt wollt. Der Herr sei mit Euch!«
    Johanna strich ihr Kleid glatt und zwängte die schwarze Haube zurück auf den Kopf, bevor sie anklopfte. Die Pförtnerin ließ sie eintreten und im Kreuzgang warten. Nach wenigen Augenblicken eilte die Priorin auf sie zu, im weißen Habit der Nonnen dieses Konvents.
    » Scheint, als sei der Himmel Euch gewogen.« Mutter Christina machte sich nicht die Mühe zu lächeln, aber sie wirkte weniger knurrig. » Einer unserer Abnehmer ist plötzlich verstorben, und seine Erben wollen die Stadt verlassen. Ich könnte Euch also tatsächlich ein Dutzend Fässer Wein in Aussicht stellen, vorausgesetzt, die Lese fällt so aus, wie wir alle hoffen.« Eine längere Pause. » Jetzt, da Ihr Euch offensichtlich Eures Witwenstandes erneut besonnen habt.«
    Johanna fühlte sich so erleichtert, dass ihr fast schwindelig wurde.
    » Das würdet Ihr?«, stieß sie hervor. » Ihr ahnt ja nicht, wie glücklich Ihr mich …«
    Ein Handzeichen brachte sie zum Verstummen.
    » Lobe den Tag niemals vor dem Abend!«, sagte die Priorin barsch. » Diesen Rat hat mein Vater mir einst mit auf den Weg gegeben. Ich betrachte übermäßigen Weingenuss ohnehin als Unsitte. Und dass Ihr als Witwe Euer täglich Brot damit verdienen müsst, missfällt mir noch mehr.« Ihr Blick wurde eine Spur milder. » Ihr seht müde aus und bedrückt, meine

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