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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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konnte, um etwas zu sehen. Daran, dass dies gewaltig schiefgehen und der Medicus den Kopf seines Bruders packen könnte, dachte er in diesem spannenden Moment nicht.
    Auch wenn der Inhaftierte jetzt wie ein Häufchen Elend wirkte, fehlte ihm außer Alkohol nichts – im Gegenteil: er war hellwach, gefährlich wach. Aber die beiden Söhne des Kastellans hatten das Glück, dass der versoffene Arzt im Moment nur einem Becher Branntwein nachsann und keine Lust darauf hatte, sich noch weiter in die Scheiße zu reiten.
    Nachdem Eginhard und sein Vater täglich mehrmals erfolglos versucht hatten, etwas aus ihm herauszubringen und irgendwann erkannt hatten, dass ihnen dies nicht gelingen würde, wollten sie jetzt überhaupt nichts mehr mit ihm zu tun haben und warteten nur noch auf eine Reaktion aus Immenstadt.
    »Ein sturer Bock. Hoffentlich holen die ihn bald ab«, hatte sich der Kastellan wiederholt Eginhard gegenüber geäußert. »Und du, Ignaz, du kümmerst dich ab jetzt allein um diesen widerlichen Halunken. Du bringst ihm täglich einen Ranken Brot und eine Schüssel Wasser, mit dem er zuerst seinen Durst stillen und sich danach waschen kann«, hatte er zu Ignaz gesagt, der widerwillig genickt hatte. Obwohl der Stallknecht lieber seiner normalen Arbeit nachgehen würde, hatte er auch noch die Order bekommen, weiterhin sorgsam darauf zu achten, dass der inhaftierte Medicus seine Hinterlassenschaften täglich aus dem Fenster schüttete und seine Zelle sauber hielt. Immer wenn Ignaz zum Gefangenen ging, befahl er ihm, sich in weitestmöglicher Entfernung mit Blickrichtung zur Wand zu stellen, damit er selbst seinen Kopf durch die Klappe in der Tür stecken konnte, um zu riechen, ob es zum Himmel stank. Damit der Medicus seinen Hintern abwischen konnte, brachte ihm Ignaz auch noch frisches Heu. Dabei achtete er sorgfältig darauf, Heinrich Schwartz nicht die geringste Möglichkeit zur Flucht zu geben. Deshalb hatte er sich angewöhnt, seine Nase erst dann in die Zelle zu strecken, wenn sich der Gefangene sichtbar auf der anderen Seite des Raumes befand. Außerdem hatte Ignaz Angst davor, dass ihn der mittlerweile schlimm aussehende Arzt am Kopf packen könnte, wenn er ihm zu nah war.

    *

    Der Kastellan und Eginhard wollten die bereits gefundenen Beweise in den Räumen des inhaftierten Arztes längst sichergestellt und nochmals nach dem Geld gesucht haben, damit sie gerüstet sein würden, wenn die Antwort auf das Sendschreiben des Kastellans eintreffen würde. Aber durch Konstanzes Krankheit waren sie noch nicht dazu gekommen. Jetzt aber sollte es endlich so weit sein. Zu mittäglicher Stunde machten sich die beiden auf den Weg zum Propsteigebäude.
    »Mit Mutters Gesundheit ist auch das schöne Wetter zurückgekehrt«, stellte der Kastellan mit einem Blick zum Himmel fest.
    »Lobe den Abend nicht vor dem Morgen«, mahnte Eginhard und ergänzte: »Mutter geht es zwar besser, aber sie ist immer noch nicht ganz über dem Berg.«
    »Du hast ja recht, mein Sohn«, lenkte der Vater ein. »Dennoch freue ich mich: Ihr geht es besser.« Als er dies sagte, blickte er wieder dankbar nach oben, »das Wetter ist schön, und Lodewig hat eine liebenswerte Gefährtin gefunden.«
    »Ja, Vater! Und jetzt finden wir auch noch die letzten Beweise, um diesen Saukerl guten Gewissens Richter Zwick übergeben zu können.«
    »Welchen Saukerl meinst du? … Lodewig?«, scherzte der Vater. »Wo ist der überhaupt schon wieder?«
    »Na, wo wohl?«, lachte Eginhard und legte einen Arm um die Schulter seines Vaters. Er glaubte, dass sein Bruder bei Sarah war.
    Nachdem sie am Propsteigebäude angekommen waren, klopften sie zuerst beim Hausherrn an, um den Schlüssel für die Tür des Behandlungsraumes abzuholen und ihn zu bitten, als Zeuge der weiteren Durchsuchung und der Konfiszierung des erhofften Beweismateriales mit anwesend zu sein. Aber der Propst winkte mit einer fuchtelnden Handbewegung ab. »Ich bin ein bescheidener Mann Gottes, der wegen euch schon genug Sünde auf sich geladen hat. Ich kann die Kerzen schon gar nicht mehr zählen, die ich wegen euch zur Abbitte entzündet habe.« Nach einer kurzen Pause scherzte er: »Außerdem überlasse ich gerne euch den Ruhm, die erfolgreichsten Inquisitoren des rothenfelsischen Gebietes und eures erlauchten Grafen zu sein.« Da er wie alle Kleriker, die weltliche Macht niemals über die der kirchlichen stellen würde, sprach er nicht von ›seinem‹, sondern stattdessen von ›ihrem‹ erlauchten

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