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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Menschenschinder das Stehen nicht zumuten«, hatte er großmütig argumentiert. Dies hieß allerdings nicht, dass er damit eine menschliche Seite gezeigt hatte; vielmehr war darin die unverhohlene Drohung versteckt, dass er die Befragung auszukosten gedachte, auch wenn sie noch so viel Zeit in Anspruch nehmen würde.
    Die seitlich an die Wand gerückte lange Anrichte eignete sich ideal als Ablage für das Beweismaterial. Der richterliche Protokollführer reihte mit Eginhards Hilfe gerade die getrockneten Pflanzen und das Handwerkszeug des Arztes fein säuberlich aneinander, als der Letzte den Raum betrat.
    »Setzen!«, gebot der Stadtamtmann, der sich in seiner heutigen Eigenschaft als Landrichter mit der Räumlichkeit zufrieden zeigte.
    Als kurz darauf der Medicus von den beiden Immenstädter Soldaten hereingeführt wurde, blickten ihm fast eineinhalb Dutzend neugierige Augenpaare entgegen. Nach dem, was er in der Nacht hatte mit anhören müssen und was er jetzt auf der Anrichte liegen sah, hätte er sich jetzt am liebsten in dem versifften Loch seiner Schlafkammer verkrochen. Aber es nützte nichts – er musste diese Vernehmung notgedrungen über sich ergehen lassen. Dennoch nahm er sich vor, zu lügen, was sein Vokabular hergeben würde – immerhin hatte er jetzt nichts mehr zu verlieren. Dabei war er sich absolut sicher, dass sein alter Kumpan Ruland Berging plötzlich wieder auftauchen und ihn befreien würde.

    *

    Landrichter Zwick betrachtete das vor ihm sitzende Häufchen Elend und schüttelte verständnislos den Kopf. Danach sah er dem Medicus so lange in die Augen, bis nicht nur er, sondern auch die anderen unruhig wurden.
    »Was ist mit dem Richter? Warum beginnt er nicht mit seiner Befragung?«, wollte Eginhard von seinem Vater wissen.
    Ulrich Dreyling von Wagrain neigte sich seinem Sohn zu und flüsterte ihm ins Ohr, dass Zwick seine Delinquenten stets gründlich zu studieren pflegte, bevor er sie ansprach.
    »Nun denn«, murmelte der unruhig wirkende Leiter der unmittelbar bevorstehenden Anhörung und rückte seine Unterlagen zurecht, bevor er mit lauter Stimme begann: »Im Namen seiner Exzellenz, des Reichsgrafen Hugo zu Königsegg, Inhaber des Blutbanns im rothenfelsischen Gebiet: Die heutige Vernehmung möge beginnen!«
    Zum etwas klein geratenen Protokollführer, der kaum über das Schreibpult des groß gewachsenen Kastellans sehen konnte, sagte er: »Und Ihr haltet Euch bereit.«
    Ulrich und Eginhard Dreyling von Wagrain sahen sich an und mussten grinsen.
    »Ich bitte um den nötigen Respekt vor diesem Gericht«, mahnte Zwick, der nicht viel größer als der Schreiberling war, und dies bemerkt hatte. Nachdem er sich ordnungsgemäß als vom Grafen höchstpersönlich berufenen Anhörungsleiter vorgestellt, die Korrektheit dieser Anhörung festgestellt und die von seinem Protokollführer vorbereitete Liste mit den Namen der Anwesenden, sowie deren Titeln und Berufen verlesen hatte, wandte er sich mit einer Miene, die nichts Gutes verhieß, an den Delinquenten: »Ihr seid also derjenige, dem vorgeworfen wird, neunundsechzig Menschen ermordet zu haben.« Er schüttelte wieder den Kopf, »Aber dazu kommen wir später. Zunächst möchte dieser ehrenwerte Ausschuss mehr von Euch wissen. Wir möchten wissen, wer Ihr seid und woher Ihr kommt.«
    Nachdem sich der Medicus nicht rührte, forderte ihn der Richter auf, ihm zu antworten: »Nun sagt uns schon, mit wem wir es zu tun haben … und fangt von vorne an! Erzählt uns also nicht nur von Euch selbst, sondern auch Eure Familiengeschichte. Wir benötigen zwar kein detailgenaues curriculum vitae , möchten aber wissen, warum Ihr so geworden seid und was Euch dazu bewogen hat, die Euch zur Last gelegten widerwärtigen Taten zu begehen.«
    »Ich habe das Gefühl, dass der Medicus jetzt schon so gut wie verurteilt ist«, tuschelte Eginhard mit fast ängstlichem Blick in Richtung des Landrichters seinem Vater zu.
    Ulrich Dreyling von Wagrain nickte zustimmend und beugte sich vor, um seinen Becher vom Tisch zu nehmen. Wie alle anderen, wartete auch er gespannt darauf, die Vita des Arztes zu hören.
    Es dauerte ein Weilchen, bis der Medicus mit leiser Stimme zu sprechen begann: »Also …«
    Er räusperte sich.
    »Mein Name ist Heinrich Schwartz. Ich bin dreiundvierzig Jahre alt, stamme aus dem Herzogtum Schlesien … und ich bin Arzt«, betonte er mit sichtlichem Stolz.
    »Darauf braucht gerade Ihr Euch nichts einzubilden«, blaffte ihn der Richter an.

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