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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Dafürhalten sei die ganze Wahrheit über den Tod seines Bruders noch nicht bekannt, und fragte mich, ob ich ihn mit Hugh Pilaster oder Tonio Silva in Verbindung bringen könne.
    Ich sagte ihm, die beiden seien außer Landes und er verschwende nur seine Zeit.«
    »Ich wünschte, das Problem mit Seth ließe sich genauso glatt lösen wie dieses«, sagte Micky.
    Im gleichen Moment ging die Tür auf, und Edward kam herein, gefolgt von seiner Schwester Clementine.
    Clementine sah Augusta sehr ähnlich, verfügte jedoch nicht über die starke Persönlichkeit ihrer Mutter und auch nicht, obwohl sie wesentlich jünger war, über deren sinnliche Ausstrahlung. Augusta schenkte ihnen Tee ein. Fahrig fragte Micky Edward, was er am Abend vorhabe. Im September fanden weder Partys noch Bälle statt. Da sich die Aristokratie bis nach Weihnachten von London fernhielt, waren nur noch die Politiker und ihre Frauen in der Stadt. Für die Angehörigen der Mittelklasse gab es dagegen keinen Mangel an Unterhaltung. Edward hatte Eintrittskarten fürs Theater. Micky heuchelte Interesse, doch seine Gedanken weilten bei Papa.
    Hastead servierte heißes, mit Butter bestrichenes Teegebäck, sogenannte Muffins, und Edward sprach ihnen herzhaft zu. Micky dagegen hatte keinen Appetit.
    Unterdessen trafen weitere Familienmitglieder ein: Josephs jüngerer Bruder William, seine häßliche Schwester Madeleine und deren Ehemann, Major Hartshorn, der Mann mit der Narbe auf der Stirn. Die Finanzkrise war das beherrschende Gesprächsthema, doch Micky erkannte bald, daß sich die Pilasters nicht davor fürchteten. Der alte Seth hatte die Krise kommen sehen und dafür gesorgt, daß das Bankhaus Pilaster nicht in die Schußlinie geriet. Hochriskante Effekten hatten an Wert verloren - ägyptische, peruanische und türkische Anleihen waren geplatzt -, aber englische Staatsanleihen und Eisenbahnaktien hatten nur geringe Kurseinbußen zu verzeichnen.
    Einer nach dem anderen gingen die Anwesenden hinauf und besuchten den alten Seth, und einer nach dem anderen kamen sie wieder herunter und erzählten, wie prächtig es ihm gehe. Micky wartete bis zum Schluß. Als er endlich hinaufging, war es bereits halb sechs.
    Seth war in Hughs ehemaligem Zimmer untergebracht. Vor der offenstehenden Tür saß eine Krankenschwester, die er jederzeit rufen konnte. Micky ging hinein und schloß die Tür hinter sich. Seth saß aufrecht im Bett und las den Economist. »Guten Tag, Mr. Pilaster«, sagte Micky. »Wie geht es Ihnen?«
    »Hoffentlich kann ich bald nach Hause.« Micky starrte den gebrechlichen alten Mann auf den weißen Leintüchern an. Seine Gesichtshaut war fast durchsichtig, und die gekrümmte Nase, das Markenzeichen der Pilaster, wirkte schärfer und messerartiger denn je. Die Augen dagegen verrieten eine hellwache Intelligenz. Seth Pilaster sah aus, als könne er noch zehn Jahre leben und die Geschicke der Bank leiten.
    Micky glaubte die Stimme seines Vaters zu hören: Wer ste h t d i r im Weg? fragte sie.
    Der alte Seth war schwach und hilflos. Micky war der einzige Besucher. Die Krankenschwester war draußen. In diesem Augenblick wußte Micky, daß er den Alten umbringen mußte.
    Die Stimme seines Vaters sagte: Tu e s jet z t!
    Er konnte den Greis mit einem Kissen ersticken, ohne Spuren zu hinterlassen. Alle Welt würde annehmen, er sei eines natürlichen Todes gestorben.
    Abscheu wallte in Micky auf und ihm wurde übel. »Was ist denn mit dir los?« fragte Seth. »Du siehst ja kränker aus als ich.«
    »Sitzen Sie auch bequem, Sir?« fragte Micky. »Lassen Sie mich die Kissen zurechtrücken.«
    »Nur keine Umstände, das ist alles in Ordnung«, sagte Seth, doch Micky griff hinter ihn und zog ein großes Daunenkissen hervor. Er sah dem alten Mann ins Gesicht und zögerte. In Seths Augen blitzte Furcht auf, und er öffnete den Mund, um zu schreien.
    Doch ehe er auch nur einen Laut hervorbringen konnte, hatte ihm Micky auch schon das Kissen übers Gesicht geworfen und seinen Kopf nach hinten gedrückt. Aber er hatte seine Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Arme des alten Seth waren frei geblieben. Mit erstaunlicher Kraft packte er Mickys Unterarme, und Micky sah mit Entsetzen, wie sich die alten Klauen um seine Jackenärmel verkrampften. Mit aller Kraft drückte er das Kissen nieder. Verzweifelt klammerte sich Seth an Mickys Arme, doch der junge Mann war stärker. Als seine Bemühungen erfolglos blieben, begann Seth mit den Füßen zu strampeln und wand sich hin und

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