Die Pfeiler der Macht
du dich mit deiner einfachen Herkunft brüsten - genau wie Kingo hier, wenn er davon erzählt, wie seine Vorfahren sich in der Schlacht von Agincourt geschlagen haben.«
Nicht Amerika interessierte Maisie, sondern Hugh. »Du hast nie geheiratet?«
»Nein.«
»Gab es in Boston ein Mädchen, das ... das du gemocht hast?«
»Ich habe versucht, eines zu finden, Maisie.« Plötzlich bereute sie es, ihm diese Frage gestellt zu haben. Sie ahnte auf einmal, daß seine Antwort ihr Glück zerstören könnte. Aber es war zu spät. Die Frage war gestellt, und Hugh beantwortete sie bereits.
»Es gab sehr hübsche, angenehme, intelligente Mädchen in Boston, Mädchen, die wunderbare Ehefrauen und Mütter zu werden versprachen. Ich interessierte mich für einige von ihnen, und die Sympathie beruhte sicher auf Gegenseitigkeit. Aber wenn dann die Stunde der Wahrheit kam und man von mir einen Heiratsantrag oder einen diskreten Rückzug erwartete, dann spürte ich, daß Sympathie allein nicht ausreichte. Bei keinem Mädchen empfand ich dasselbe wie damals für dich. Es fehlte die Liebe.« Jetzt hatte er das Wort gesagt. »Hör auf!« flüsterte Maisie. »Zwei oder drei Mütter waren ziemlich wütend auf mich. Danach verbreitete sich mein Ruf, und die Mädchen wurden vorsichtiger. Sie waren nach wie vor nicht unfreundlich zu mir, aber sie wußten, daß mit ›dem Burschen‹ etwas nicht stimmte. Der nimmt die Mädchen nicht ernst, hieß es, und so einer taugt nicht als Ehemann. Hugh Pilaster, der englische Bankier und Herzensbrecher ... Hatte ich das Gefühl, daß sich ein Mädchen trotzdem in mich verliebte, dann entmutigte ich es. Ich breche nicht gerne Herzen - ich weiß nur zu gut, wie weh es tut.« Maisie spürte die Tränen auf ihrem Gesicht und war froh über die taktvolle Dunkelheit. »Es tut mir so leid«, flüsterte sie so leise, daß sie es selbst kaum hören konnte.
»Sei's drum - ich weiß ganz genau, was mit mir nicht stimmt«, ergänzte Hugh. »Wahrscheinlich wußte ich es schon immer. Jedenfalls haben die letzten beiden Tage alle Zweifel beseitigt.« Sie waren ein Stück hinter den anderen zurückgefallen. Hugh blieb stehen und sah Maisie an. »Bitte, sag es nicht, Hugh«, wisperte sie.
»Ich liebe dich noch immer. Das ist alles.« Jetzt war es heraus, und alles war zerstört.
»Und ich glaube, du liebst mich auch«, fuhr er gnadenlos fort.
»Stimmt's?«
Sie sah zu ihm auf. In seinen Pupillen spiegelten sich die Lichter des Hauses auf der anderen Seite des Rasens, doch sein Gesicht war verschattet. Er neigte den Kopf und küßte sie auf die Lippen. Maisie ließ es geschehen. »Salzige Tränen«, sagte er nach einer Minute. »Du liebst mich. Ich wußte es.« Er zog ein zusammengelegtes Taschentuch hervor und tupfte ihr sanft die tränenfeuchten Wangen ab.
So geht es nicht weiter, dachte Maisie und sagte: »Wir müssen zu den anderen aufschließen, sonst fangen sie an zu tuscheln.« Sie wandte sich zum Gehen, und Hugh blieb nichts anderes übrig, als ihren Arm loszulassen oder mitzugehen. Er entschloß sich, sie zu begleiten.
»Seltsam, daß du dir über das Gerede der Leute Gedanken machst«, sagte er. »In eurem Kreis hat man doch gegen derlei Dinge nichts, dafür ist er doch bekannt.«
Die anderen waren Maisie tatsächlich ziemlich gleichgültig. Das Problem war sie selbst. Sie beschleunigte ihre Schritte und zog ihn mit sich. Als sie kurz darauf den Rest der Abendgesellschaft einholten, befreite sie sich von seinem Arm und begann ein Gespräch mit der Herzogin.
Daß Hugh die Toleranz des Marlborough Sets so betont hatte, versetzte sie in eine dumpfe Unruhe. Was er gesagt hatte, war ja durchaus richtig, aber es wäre ihr lieber gewesen, er hätte auf die Worte derlei Dinge verzichtet; sie wußte auch nicht, warum. Die hohe Standuhr in der Halle schlug gerade Mitternacht, als sie wieder das Haus betraten. Maisie fühlte sich auf einmal erschöpft von den Aufregungen und Anspannungen des vergangenen Tages. »Ich gehe ins Bett«, verkündete sie. Sie sah, wie der Blick der Herzogin nachdenklich von ihr zu Hugh und wieder zu ihr zurückwanderte, und bemerkte, daß Liz ein Lächeln unterdrückte. Schlagartig wurde ihr klar, daß alle Anwesenden sie bereits mit Hugh im Bett sahen.
Während die Männer noch Billard spielten und der eine oder andere noch einen Nachttrunk zu sich nahm, zogen sich die Damen gemeinsam ins Obergeschoß zurück. Und Maisie erkannte in den Augen jeder einzelnen, die ihr mit einem
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