Die Pfeiler der Macht
Greenbourne wirklich der richtige Mann ist, erinnern Sie ihn daran, daß es mit Joseph Pilaster eine solide Alternative gibt.«
»Verlassen Sie sich auf mich, Mrs. Pilaster.«
Lady Morte lebte in einem Haus in der Curzon Street, das sich ihr Gatte eigentlich nicht leisten konnte. Ein livrierter Dienstmann mit gepuderter Perücke öffnete die Tür und geleitete Augusta in ein Audienzzimmer, das mit allerhand teurem Schnickschnack aus der Bond Street angefüllt war: goldenen Kandelabern, silbernen Bilderrahmen, erlesenem Porzellan, Kristallvasen und einem herrlichen, mit Juwelen ausgelegten antiken Tintenfaß, das allein so viel gekostet haben mußte wie ein junges Rennpferd. Harriet Mortes Schwäche, Geld auszugeben, das ihr nicht gehörte, hatte zur Folge, daß Augusta sie verachtete - doch gleichzeitig bestätigten ihr die vielen Wertgegenstände, daß diese Frau noch immer nichts dazugelernt hatte.
Mit großen Schritten durchmaß sie den Raum, während sie auf Lady Morte wartete. Wenn sie daran dachte, daß Ben Greenbourne anstelle von Joseph Pilaster der hohen Ehrung teilhaftig werden könnte, überkamen sie regelmäßig Panikanfälle. Ein zweites Mal, da war sie sich ziemlich sicher, würde es ihr nicht gelingen, eine vergleichbare Kampagne in die Wege zu leiten. Gänzlich unerträglich aber war der immer wiederkehrende Gedanke, daß als Ergebnis ihrer Bemühungen diese kleine Rinnsteinratte Maisie Greenbourne eines Tages Gräfin werden könnte ... Lady Morte kam herein und sagte, auf Distanz bedacht: »Welch reizende Überraschung, Sie schon um diese Tageszeit begrüßen zu können!« Es war nichts anderes als eine Zurechtweisung, weil Augustas Besuch in die Vormittagsstunden fiel. Lady Mortes eisgraues Haar erweckte den Eindruck, als sei es sehr hastig gebürstet worden.
Wahrscheinlich war sie noch nicht fertig angezogen, dachte Augusta und fügte für sich hinzu: Aber empfangen mußtest du mich allemal. Du hattest Angst, ich könnte wegen des Kontos kommen, nicht wahr? Da blieb dir keine andere Wahl ... Als sie jedoch den Mund öffnete, bediente sie sich eines unterwürfigen Tons, von dem sie wußte, daß er der Dame schmeicheln mußte. »Ich bin gekommen, weil ich in einer dringenden Angelegenheit Ihren Rat benötige.«
»Wenn ich Ihnen helfen kann ...«
»Der Premierminister ist inzwischen bereit, einen Bankier in den Adelsstand zu erheben.«
»Wie schön! Ich erwähnte es, wie Sie wissen, gegenüber Ihrer Majestät. Zweifellos trägt meine Intervention jetzt Früchte ...«
»Unglücklicherweise scheint der Premierminister Ben Greenbourne auszeichnen zu wollen.«
»O weh, das ist allerdings Pech.«
Augusta spürte, daß Harriet Morte insgeheim hoch erfreut über diese Nachricht war. Die Lady haßte sie. »Das ist mehr als Pech«,
erwiderte sie. »Ich habe große Anstrengungen in dieser Sache unternommen, und nun soll ausgerechnet der größte Konkurrent meines Mannes der einzige sein, der daraus Nutzen zieht!«
»Das ist mir klar.«
»Ich wünschte, es ließe sich verhindern ...«
»Ich wüßte nicht, was wir dagegen tun könnten.« Augusta tat, als überlege sie laut.
»Ehrungen dieser Art müssen von der Königin bestätigt werden, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt. Rein formell werden sie ja von ihr verliehen.«
»Dann wäre sie also imstande, ein Veto einzulegen, wenn Sie sie darum bäten.«
Lady Morte lachte kurz auf. »Meine gute Mrs. Pilaster, da überschätzen Sie aber meinen Einfluß ganz gewaltig!« Augusta biß sich auf die Zunge und ignorierte den herablassenden Ton. »Daß Ihre Majestät meinen Rat über den des Premierministers stellt, ist höchst unwahrscheinlich«, fuhr Lady Morte fort. »Und davon ganz abgesehen: Mit welcher Begründung sollte ich gegen die Entscheidung Einspruch erheben?«
»Greenbourne ist Jude.«
Lady Morte nickte. »Es gab einmal eine Zeit, da dies in der Tat genügt hätte. Als Gladstone Lionel Rothschild die Peerswürde antragen wollte, lehnte die Königin sein Ansinnen rigoros ab. Aber das war vor zehn Jahren. Seitdem haben wir Disraeli ...«
»Aber Disraeli ist Christ, Greenbourne dagegen praktizierender Jude.«
»Ob das wirklich ein entscheidender Unterschied ist?« meinte
Lady Morte nachdenklich und beantwortete die Frage gleich selbst.
»Vielleicht ja. Immerhin wirft die Königin dem Thronfolger ständig vor, daß er zu viele Juden in seinem Freundeskreis habe.«
»Angenommen, Sie erwähnen der Königin gegenüber, daß der
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