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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Erregung schließen ließ, und wieder wurde Micky bewußt, daß sie es bitterernst meinte. Rachel kam zum Schluß: »Ich werde dich daher verlassen, es sei denn, du erklärst dich bereit, in Zukunft auf jeglichen Kontakt mit Prostituierten zu verzichten.«
    Jede weitere Diskussion erübrigte sich. »Mal sehen, ob du mich auch mit eingeschlagener Nase verläßt«, sagte er und hob seinen Stock.
    Die Drohung traf Rachel nicht unvorbereitet. Mit einer geschickten Drehung wich sie dem Schlag aus und rannte zur Tür, die zu Mickys Überraschung nicht verschlossen war. Offensichtlich hatte seine Frau mit einer gewaltsamen Auseinandersetzung gerechnet und die Tür vorsichtshalber aufgesperrt. Wie ein Blitz verschwand sie in der Nacht.
    Micky stürzte ihr nach, doch draußen auf der Straße wartete bereits die nächste unliebsame Überraschung auf ihn: Rachel sprang bereits in eine am Bordstein wartende Kutsche. Generalstabsmäßige Planung, dachte er, wirklich erstaunlich ... Er wollte rasch noch auf die Kutsche aufspringen, als ihm eine hochgewachsene Gestalt mit Zylinderhut den Weg versperrte. Es war Rechtsanwalt Bodwin, Rachels Vater.
    »Sie haben offensichtlich nicht die Absicht, Ihren Lebenswandel zu ändern«, sagte er.
    »Wollen Sie meine Frau entführen?« fragte Micky. Es ärgerte ihn maßlos, daß man ihn so geschickt ausmanövriert hatte. »Sie verläßt dieses Haus aus eigenem freiem Willen.« Bodwin hielt sich wacker, wenngleich seine Stimme ein wenig zitterig klang. »Sie wird zu Ihnen zurückkehren, sobald Sie sich bereit erklären, von Ihren üblen Gewohnheiten Abstand zu nehmen. Voraussetzung ist natürlich eine gründliche medizinische Untersuchung.«
    Einen Augenblick lang war Micky versucht, seinen Schwiegervater niederzuschlagen. Aber der Impuls verflog so schnell, wie er gekommen war. Der Anwalt würde ihn wegen gefährlicher Körperverletzung verklagen, und ein solcher Skandal war durchaus imstande, seine Diplomatenkarriere zu ruinieren. Das war Rachel nicht wert.
    Es war eine Güterabwägung. Wofür kämpfe ich eigentlich? fragte er sich und sagte: »Sie können sie behalten. Ich hab' sie satt.« Micky marschierte ins Haus zurück und warf die Tür hinter sich zu.
    Er hörte, wie die Kutsche davonrollte, und stellte zu seiner Verblüffung fest, daß er Bedauern über Rachels Abschied empfand. Gewiß, er hatte sie aus reiner Bequemlichkeit geheiratet - nur deshalb, weil er auch Edward die Ehe schmackhaft machen wollte -, und in mancher Hinsicht würde sein Leben ohne sie wieder erheblich einfacher werden. Auf der anderen Seite hatte er am täglichen intellektuellen Klingenkreuzen Gefallen gefunden. Mit keiner anderen Frau hatte er je so etwas erlebt. Es war natürlich auch oft ermüdend. Unter dem Strich, so sagte er sich, stehe ich mich allein besser.
    Als er wieder zu Atem gekommen war, setzte er seinen Hut auf und verließ das Haus. Es war eine laue Sommernacht, der Himmel war klar, und die Sterne strahlten hell. Im Sommer war die Luft in London immer besser als im Winter, da die Kohleöfen in den Wohnhäusern nicht in Betrieb waren.
    Er schlenderte die Regent Street entlang und dachte über seine Geschäfte nach. Nach dem planmäßig verlaufenen Überfall auf Tonio Silva, der inzwischen schon wieder einen Monat zurücklag, hatte er von dem angekündigten Artikel über die Salpetergruben nichts mehr gehört. Tonio erholte sich vermutlich noch immer von seinen Verletzungen. Micky hatte Papa ein kodiertes Telegramm mit den Namen und Adressen jener Zeugen geschickt, deren beglaubigte Aussagen er in Tonios Unterlagen gefunden hatte. Wahrscheinlich waren sie inzwischen alle tot. Hugh war blamiert, weil sich seine Warnungen als substanzlos erwiesen hatten; Edward dagegen war froh und glücklich.
    Edward hatte mittlerweile Solly Greenbourne das prinzipielle Einverständnis abgerungen, die Anleihen für die Santamaria-Bahn gemeinsam mit den Pilasters aufzulegen. Es war nicht leicht gewesen: Wie viele andere Investoren hegte auch Solly ein gesundes Mißtrauen gegenüber Südamerika. Bevor der Handel endgültig unter Dach und Fach kam, hatte sich Edward verpflichten müssen, eine höhere Kommission als üblich zu offerieren und sich seinerseits an einem Spekulationsgeschäft Solly’s zu beteiligen. Edward war in den Verhandlungen immer wieder darauf herumgeritten, daß sie doch alle alte Schulkameraden wären. Wahrscheinlich, so dachte Micky, hat im Endeffekt Sollys Gutherzigkeit den Ausschlag

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