Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
sich inzwischen nur ein wenig beruhigt hatte, war es vielleicht doch noch möglich, ihn umzustimmen. Er komme gerade vom Prinzen von Wales, hatte er gesagt. Daraus ließ sich schließen, daß er bisher noch keine Gelegenheit gehabt hatte, anderen von dem Geheimnis zu erzählen, das ihm der Kronprinz anvertraut hatte. Bei der Auseinandersetzung im Club hatte es keine Zeugen gegeben. Höchstwahrscheinlich wußte selbst Ben Greenbourne noch nicht, wer ihn um die Peerswürde betrogen hatte.
    Natürlich würde die Wahrheit nicht ewig ein Geheimnis bleiben. Der Kronprinz konnte jederzeit auch andere Leute ins Vertrauen ziehen - dann allerdings wäre der Vertrag über die Santamaria-Bahn längst unter Dach und Fach. Es kam nur darauf an, bis zur Unterzeichnung des Vertrages Stillschweigen zu bewahren, also bis morgen. Mochten sich die Pilasters und die Greenbournes danach bis zum Tag des Jüngsten Gerichts in den Haaren liegen -Papa hätte auf jeden Fall seine Bahn.
    Auf den Bürgersteigen trippelten Prostituierte auf und ab; Männer verschwanden in ihren Clubs oder verließen sie; Laternenanzünder gingen ihrer Arbeit nach, und immer wieder holperten Kutschen und Droschken vorbei. Micky hatte Mühe, den Abstand zu Solly zu verkürzen. Erneut stieg Panik in ihm auf. Da bog Solly plötzlich in eine Querstraße ein, die zu seinem Haus am Piccadilly führte.
    Micky folgte ihm. In der Nebenstraße herrschte längst nicht so viel
    Verkehr wie in der Pall Mall. Micky begann zu rennen.
    »Greenbourne!« rief er. »Warte!«
    Solly blieb stehen und drehte sich um. Er keuchte. Als er Micky erkannte, wandte er sich sofort ab. Micky packte ihn am Arm. »Ich muß mit dir reden!« Solly war dermaßen außer Atem, daß er kaum sprechen konnte. »Nimm deine elenden Pfoten weg!« schnaufte er, riß sich los und ging weiter.
    Micky lief hinter ihm her und packte ein zweites Mal zu. Solly wollte ihn abschütteln, aber diesmal ließ Micky nicht locker. »So hör mir doch zu!«
    »Ich hab' dir gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen!« fauchte Solly.
    »Eine Minute bloß, verdammt noch mal!« Micky wurde langsam wütend.
    Aber Solly wollte nichts von ihm wissen. Er schlug um sich, befreite sich mit Gewalt aus Mickys Griff und setzte seinen Weg fort.
    Ein paar Schritt weiter erreichte er eine Querstraße. Da mit hoher Geschwindigkeit eine Kutsche vorbeirumpelte, sah er sich gezwungen, am Bordstein stehenzubleiben. Micky nutzte die Gelegenheit, ihn noch einmal anzusprechen. »Solly, so beruhige dich doch!« sagte er. »Ich will mich nur ganz vernünftig mit dir unterhalten!«
    »Scher dich zum Teufel!« brüllte Solly.
    Die Straße war frei. Um Solly am Weitergehen zu hindern, packte Micky ihn am Revers.
    Solly versuchte, sich freizumachen, aber Micky gab nicht nach und schrie: »Jetzt hör mich endlich an!«
    »Laß mich los!« Solly bekam eine Hand frei und versetzte Micky einen Fausthieb auf die Nase.
    Der Schlag tat weh, und Micky schmeckte Blut im Mund. Er geriet außer sich vor Wut. »Verdammter Mistkerl!« rief er, ließ den Mantel los und schlug zurück. Er traf Solly an der Wange. Solly drehte sich um und trat auf die Straße. In diesem Augenblick tauchte erneut eine Kutsche auf und kam in schneller Fahrt auf sie zu. Sie sahen sie beide gleichzeitig. Solly sprang zurück auf den Bürgersteig, um nicht überrollt zu werden. Da sah Micky seine Chance.
    Wenn Solly tot ist, bin ich meine Sorgen los, dachte er. Für eine vernünftige Abwägung der Risiken reichte die Zeit nicht mehr. Zögerte er jetzt, war die Gelegenheit vorüber. Mit einem kräftigen Stoß schubste er Solly direkt vor das Gespann.
    Der Kutscher kreischte auf und riß an den Zügeln. Solly stolperte, sah die Pferde fast über sich und stürzte mit einem lauten Schrei zu Boden.
    Micky sah die Szene wie auf einem Bild vor sich: die heranstürmenden Pferde, die schweren Räder der Kutsche, den entsetzten Kutscher und die massige, hilflos auf dem Rücken liegende Gestalt Sollys auf dem Straßenpflaster.
    Schon hatten die Pferde Solly erreicht und überrannten ihn. Micky sah, wie sich der dicke Körper unter den Schlägen der eisenbeschlagenen Hufe wand. Dann traf das rechte Vorderrad der Kutsche Solly mit Wucht am Kopf, so daß er das Bewußtsein verlor. Sekundenbruchteile später rollte das rechte Hinterrad über sein Gesicht und knackte Sollys Schädel wie eine Eierschale. Micky wandte sich ab. Um ein Haar hätte er sich übergeben müssen, doch es gelang ihm, den Brechreiz

Weitere Kostenlose Bücher