Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
unter Kontrolle zu halten. Aber er begann heftig zu zittern, fühlte sich schwach und schwindelig und mußte sich an eine Hauswand lehnen, um nicht zusammenzubrechen.
    Er zwang sich, den bewegungslosen Körper auf der Straße anzusehen. Sollys Schädel war zertrümmert, sein Gesicht nicht mehr zu erkennen. Sein Blut und irgend etwas anderes verschmierte das Pflaster. Solly war tot. Und Micky war gerettet.
    Nun würde Ben Greenbourne nicht erfahren, was Augusta ihm angetan hatte, jedenfalls nicht bis morgen. Der Vertrag und das Geschäft waren gerettet, die Bahn würde gebaut werden - und Micky konnte sich bereits als Nationalheld sehen. Eine warme Flüssigkeit tröpfelte auf seine Lippen. Seine Nase blutete noch immer. Micky zog ein Taschentuch heraus und tupfte sie ab.
    Er warf einen letzten Blick auf Solly. Ein einziges Mal in deinem Leben hast du die Geduld verloren, dachte er, und das hat dich prompt umgebracht ...
    Er sah sich um. Die vom trüben Licht der Gaslaternen erhellte Straße war menschenleer. Nur der Kutscher hatte gesehen, was geschehen war.
    Vielleicht dreißig Meter weiter kam die Kutsche schlingernd und rasselnd zum Stehen. Der Kutscher sprang vom Bock, und eine Frau schaute aus dem Fenster. Micky drehte sich um und entfernte sich mit schnellen Schritten in die Richtung, aus der er gekommen war.
    Ein paar Sekunden später hörte er den Kutscher hinter sich herrufen: »He, Sie da!«
    Er beschleunigte seine Schritte. Einen Augenblick später war er im Menschengewühl auf der Fall Mall verschwunden. Mein Gott, ich hab's geschafft, dachte er.
    Nun, da er den zerschmetterten Körper nicht mehr vor Augen hatte, wich die Übelkeit einem Triumphgefühl. Blitzschnelles Denken und kühnes Handeln hatten ihn ein weiteres Hindernis überwinden lassen.
    Er rannte die Treppe zum Club empor. Wenn ich Glück habe, hat niemand meine Abwesenheit bemerkt, dachte er, als er im Eingang fast mit Hugh Pilaster zusammenstieß, der auf dem Weg hinaus war.
    Hugh nickte ihm zu. »'n Abend, Miranda.«
    »'n Abend, Pilaster«, erwiderte Micky und unterdrückte einen Fluch.
    Er betrat die Toilette. Seine Nase war von Sollys Fausthieb noch gerötet. Ansonsten wirkte er nur ein wenig zerzaust, aber das ließ sich ändern. Er glättete seine Kleidung und kämmte sich die Haare. Seine Gedanken kehrten zu Hugh Pilaster zurück. Niemand hätte gemerkt, daß ich außer Haus war, dachte er erbittert, ich war ja nur ein paar Minuten lang fort. Es ist zum aus der Haut fahren, daß mir bei der Rückkehr ausgerechnet Hugh begegnen muß ... Er fragte sich, ob ihm daraus eine Gefahr erwachsen konnte. Niemand würde ihn verdächtigen, Solly Greenbourne umgebracht zu haben - und sollte tatsächlich irgend jemand dumme Fragen stellen, so bewies die Tatsache, daß er den Club für ein paar Minuten verlassen hatte, im Grunde noch gar nichts. Über ein wasserdichtes Alibi verfügte er jetzt allerdings nicht mehr, und das beunruhigte ihn.
    Er wusch sich gründlich die Hände und stieg schnell die Treppe hinauf.
    Im Spielzimmer saß Edward bereits beim Bakkarat. Neben ihm stand ein leerer Stuhl, auf dem Micky Platz nahm. Niemand zeigte sich verwundert, daß er so lange hatte auf sich warten lassen.
    Man gab ihm Karten. »Du siehst leicht seekrank aus«, meinte Edward.
    »Stimmt«, erwiderte Micky ruhig. »Ich glaube, die Fischsuppe heute war nicht mehr ganz frisch.«
    Edward winkte einen Ober herbei. »Bringen Sie dem Mann hier einen Brandy.«
    Micky warf einen Blick auf seine Karten. Er hatte eine Neun und eine Zehn - das ideale Blatt. Er setzte einen Sovereign. Heute konnte er einfach nicht verlieren.
     
    Zwei Tage nach Sollys Tod stattete Hugh Maisie einen Besuch ab. In makelloses Schwarz gekleidet, saß sie auf dem Sofa. Sie wirkte
    ruhig und gefaßt, wenngleich ein wenig verloren in dem großen, prächtig eingerichteten Empfangszimmer des palastartigen Hauses am Piccadilly. Trauer zeichnete ihr Gesicht, und sie sah aus, als ob sie in der Nacht kein Auge zugetan hätte. Hugh überkam ein unendliches Mitleid.
    Sie warf sich ihm von ganz allein in die Arme. »Oh, Hugh!« rief sie. »Er war der Beste von uns allen!«
    Als er diese Worte hörte, konnte Hugh die Tränen nicht mehr zurückhalten. Seit dem Erhalt der Todesnachricht war er innerlich wie gelähmt gewesen und hatte nicht einmal weinen können. Solly war eines grausamen Todes gestorben - und er war der letzte, der ein so furchtbares Schicksal verdient hatte. »Er war ohne Arg«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher