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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Ende zu überprüfen.
    Es kostete sie fast den ganzen Tag. Kurz vor vier Uhr prüfte Hugh das letzte Bündel und addierte die letzte Zahlenreihe. Es waren zuwenig Papiere gezeichnet worden: Anleihen im Wert von etwas über einhunderttausend Pfund blieben unverkauft. Gemessen an der Gesamtsumme von zwei Millionen war das kein allzu hoher Verlust. Der Nachteil lag eher im psychologischen Bereich: Es war ein großer Unterschied, ob die Nachfrage höher oder niedriger als die verfügbaren Papiere war. Die Teilhaber würden enttäuscht sein.
    Hugh schrieb seine Abrechnung säuberlich auf ein Blatt Papier und machte sich auf den Weg zu Mulberry. In der Schalterhalle war Ruhe eingekehrt. Nur wenige Kunden standen vor den polierten Tischen. Hinter den Schaltern waren die Angestellten eifrig damit beschäftigt, schwere Hauptbücher aus ihren Schrankfächern zu nehmen oder wieder hineinzustellen. Das Bankhaus Pilaster führte, da es eine Handelsbank war, die vorwiegend Kaufleuten Kredite gewährte, nur wenige Privatkonten. Der alte Seth pflegte zu sagen, die Pilasters seien nicht daran interessiert, die schmutzigen Pennies eines Kolonialwarenhändlers oder die speckigen Banknoten eines Schneidermeisters zu zählen - das sei nicht profitabel genug. Allerdings unterhielt jedes einzelne Familienmitglied ein Konto bei der Bank, und es gab einige wenige sehr reiche Kunden, denen man diese Möglichkeit ebenfalls einräumte. Einer dieser privilegierten Kunden fiel Hugh in diesem Moment auf: Sir John Cammel, dessen Sohn Albert Hugh aus seiner Schulzeit in Windfield kannte. Sir John war ein magerer, kahlköpfiger Mann. Aus Kohlengruben und Werften, die auf seinen Ländereien in Yorkshire lagen, bezog er ein gewaltiges Einkommen. Unruhig ging er auf den Marmorfliesen auf und ab; er wirkte ungeduldig und schlechtgelaunt. Hugh sagte:
    »Guten Tag, Sir John. Ich hoffe, Sie werden schon bedient?«
    »Nein, eben nicht, mein Junge. Arbeitet denn hier überhaupt kein Mensch mehr?«
    Hugh sah sich rasch um. Es war niemand zu sehen - weder ein Teilhaber noch ein höherer Angestellter. Er beschloß, selbst die Initiative zu ergreifen. »Würden Sie bitte mit ins Direktionszimmer kommen, Sir? Ich bin überzeugt, die Herren werden sich freuen, Sie zu sehen.«
    »Na schön.«
    Hugh führte ihn die Treppe hinauf. Die Teilhaber arbeiteten alle zusammen in einem Raum - damit sie, wie die Tradition es wollte, einander im Auge behalten konnten. Der Raum war ausgestattet wie das Lesezimmer in einem Herrenklub, mit Ledersofas, Bücherschränken und einem großen Tisch in der Mitte, auf dem die Zeitungen lagen. An den Wänden hingen gerahmte Porträts der Pilaster-Ahnen, die über ihre Hakennasen auf ihre Nachfahren herabblickten.
    Das Direktionszimmer war leer. »Einer der Herren wird sicher gleich kommen«, meinte Hugh. »Darf ich Ihnen ein Glas Madeira anbieten?« Er ging zum Büffet und füllte mehr Wein als üblich in ein Glas, während Sir John sich in einem Ledersessel niederließ. »Mein Name ist übrigens Hugh Pilaster.«
    »Ach, tatsächlich?« Der Umstand, daß er mit einem Pilaster und nicht mit einem gewöhnlichen Banklehrling sprach, schien Sir John einigermaßen zu besänftigen. »Waren Sie auch in Windfield?«
    »Ja, Sir. Gleichzeitig mit Ihrem Sohn Albert. Wir nannten ihn Hump.«
    »Alle Cammels werden Hump genannt.«
    »Ich habe ihn seit ... seit damals nie wiedergesehen.«
    »Er ging in die Kapkolonie. Es gefällt ihm dort so gut, daß er bleiben will. Er züchtet jetzt Pferde.«
    Auch Albert Cammel war an jenem schicksalsträchtigen Tag im Jahre 1866 am Badeteich gewesen. Bis heute wußte Hugh nicht, was Albert über Peter Middletons Tod aussagen konnte. »Ich würde ihm gerne einmal schreiben«, sagte er. »Er wird sich bestimmt freuen, von einem alten Schulfreund zu hören. Ich gebe Ihnen seine Adresse.« Sir John ging zu einem Pult, tauchte die Feder in das eingelassene Tintenfaß und kritzelte die Anschrift auf ein Blatt Papier. »Hier, bitte sehr.«
    »Vielen Dank, Sir.« Mit Befriedigung konstatierte Hugh, daß Sir John auf einmal recht umgänglich war.
    »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, während Sie warten?«
    »Nun ja, vielleicht könnten Sie sich darum kümmern.« Sir John zog einen Scheck aus der Tasche. Hugh betrachtete ihn und stellte fest, daß er sich auf einhundertzehntausend Pfund belief. Noch nie hatte er einen so hohen Scheck in der Hand gehabt. »Ich habe eines meiner Kohlenbergwerke an meinen Nachbarn

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