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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Knaben ein Glas Sherry und einen Teller mit Keksen serviert. Im dritten Stock hatte er die Abteilungsleiter an ihren Schreibtischen gesehen, bebrillte nervöse Herren, umgeben von Papierbündeln, die wie Geschenke von Bändchen zusammengehalten wurden. Im Obergeschoß schließlich saßen die Banklehrlinge vor ihren hohen Pulten, aufgereiht wie zu Hause Hughs Zinnsoldaten, und kritzelten mit tintenbeklecksten Fingern Einträge in die Hauptbücher. Am tollsten freilich hatte Hugh das Kellergeschoß gefunden. Dort lagerten in den Tresoren Verträge, die zum Teil noch älter waren als der Großvater; dort warteten Tausende von Briefmarken darauf, angeleckt und aufgeklebt zu werden, und ein Raum blieb allein der Tinte vorbehalten, die dort in großen Glasbehältern aufbewahrt wurde. Voller Staunen hatte Hugh sich vorzustellen versucht, wie das alles funktionierte: Die Tinte kam in die Bank und wurde von den Schreibern auf Papier aufgetragen. Dann kehrten die Papiere in den Keller zurück, um dort bis in alle Ewigkeit aufbewahrt zu werden. Und auf irgendeine geheimnisvolle
    Weise entstand dabei Geld.
    Von Geheimnissen konnte inzwischen nicht mehr die Rede sein. Hugh wußte längst, daß die schweren in Leder gebundenen Hauptbücher keine mysteriösen Texte enthielten, sondern lediglich Listen über finanzielle Transaktionen, fleißig niedergeschrieben und sorgfältigst auf den neuesten Stand gebracht. Er selbst hatte viele Tage damit zugebracht und seine verkrampften Finger mit Tinte bekleckert. Ein Wechsel war kein Zauberspruch, sondern das auf einem Formular festgehaltene und von der Bank garantierte Versprechen, zu einem bestimmten Termin einer Zahlungsverpflichtung nachzukommen. Und hinter dem Wort Discount, worunter er als Kind die Aufgabe verstanden hatte, rückwärts von Hundert bis Null zu zählen, steckte die Praxis, Wechsel zu einem etwas geringeren Preis als ihrem Nennwert zu kaufen, sie bis zum Fälligkeitstermin zu behalten und dann mit einem kleinen Gewinn einzulösen.
    Hughs derzeitige Stellung war die eines Assistenten des Bürovorstehers.
    Jonas Mulberry war etwa vierzig Jahre alt und glatzköpfig, ein herzensguter, aber etwas sauertöpfischer Mann. Er nahm sich stets die Zeit, Hugh alles ausführlich zu erklären, war aber, wenn er auch nur den geringsten Anlaß sah, ihm Hast oder Sorglosigkeit vorwerfen zu können, sehr rasch mit Tadel zur Hand. Hugh war ihm nun seit einem Jahr unterstellt, und gestern war ihm ein schwerer Fehler unterlaufen: Er hatte einen Seefrachtbrief über eine Lieferung von Bradford-Tuchen nach New York verlegt. Der Fabrikant aus Bradford hatte in der Bankhalle gestanden und sein Geld verlangt, doch Mulberry konnte die Auszahlung nicht genehmigen, weil er zuvor den Frachtbrief prüfen mußte. Hugh konnte das Dokument einfach nicht finden. Es war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als den Mann zu bitten, am nächsten Morgen noch einmal vorbeizukommen.
    Zwar hatte Hugh den Frachtbrief schließlich doch noch gefunden, doch zuvor hatte er sich die halbe Nacht lang den Kopf darüber zerbrochen. Am Morgen war ihm endlich ein neues Ablagesystem für Mulberrys Unterlagen eingefallen.
    Vor ihm auf dem Tisch befanden sich nun zwei billige Holztabletts, zwei rechteckige Karten, ein Federkiel und ein Tintenfaß. Auf die eine Karte schrieb er langsam und sorgfältig:
     
    Zur Erledigung durch den Bürovorsteher
     
    Auf die zweite Karte schrieb er:
     
    Bereits erledigt vom B ü rovorste h er
     
    Sorgfältig löschte er die Tinte und befestigte die beiden Karten mit Reißzwecken an den beiden Tabletts. Dann trug er sie zu Mulberrys Tisch hinüber und trat einen Schritt zurück, um sein Werk zu betrachten. In diesem Moment trat Mr. Mulberry ein. »Guten Morgen, Mr. Hugh«, grüßte er. Um nicht dauernd die verschiedenen Mr. Pilasters durcheinanderzubringen, wurden die Familienmitglieder in der Bank mit den Vornamen angeredet.
    »Guten Morgen, Mr. Mulberry.«
    »Und was, zum Kuckuck, ist das?« fragte Mulberry unwirsch mit Blick auf die beiden Tabletts.
    »Nun ja«, begann Hugh. »Ich habe den Frachtbrief gefunden.«
    »Wo war er?«
    »Zwischen einigen Briefen, die Sie unterzeichnet hatten.« Mulberry zog die Brauen zusammen. »Wollen Sie damit sagen, es war meine Schuld?«
    »Nein, nein«, beeilte sich Hugh zu antworten. »Es ist meine Aufgabe, für Ordnung in Ihren Unterlagen zu sorgen. Deshalb habe ich dieses Ablagesystem eingeführt - so bleiben die Papiere, die Sie bereits abgezeichnet

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