Die Pfeiler der Macht
Nase des armen Edward einmal ansieht.«
»Ich lasse Maisie nicht im Stich«, sagte Hugh. »Du bist für den Schaden verantwortlich«, erwiderte Augusta scharf. »Den Arzt zu holen ist das mindeste, was du tun kannst.«
»Hol den Arzt, Hugh«, sagte Maisie. »Ich komm' schon klar. Ich warte, bis du zurückkommst.« Noch immer hielt Hugh die Stellung.
»Hier entlang, bitte!« sagte Mrs. Merton und wies auf die Hintertreppe.
»Ach, ich glaube, wir benutzen lieber die Haupttreppe«, antwortete Maisie, überquerte wie eine Königin die Galerie und schritt die Stufen hinab. Mrs. Merton folgte ihr. »Hugh?« sagte Augusta.
Es entging ihr nicht, daß er immer noch zögerte. Aber ihm fiel offensichtlich kein plausibler Weigerungsgrund mehr ein. Im nächsten Moment sagte er: »Ich muß mir die Schuhe anziehen.«
Augusta verbarg ihre Erleichterung. Sie hatte die beiden voneinander getrennt. Wenn ihre Glückssträhne anhielt, so war Hughs Schicksal in Kürze besiegelt. Sie wandte sich an ihren Gatten.
»Laß uns in dein Zimmer gehen und über diese Angelegenheit sprechen.«
Sie gingen die Treppe hinunter und begaben sich in sein Schlafzimmer. Kaum war die Tür hinter ihnen geschlossen, nahm Joseph sie in die Arme und küßte sie. Augusta merkte sofort, daß er mit ihr schlafen wollte.
Das war ungewöhnlich. Sie schliefen ein- oder zweimal in der Woche miteinander, wobei jedoch die Initiative stets von ihr ausging: Sie kam von sich aus in sein Zimmer und legte sich in sein Bett. Augusta betrachtete die körperliche Liebe als Teil ihrer ehelichen Pflicht, die darin bestand, ihm das Leben angenehm zu gestalten. Allerdings legte sie Wert darauf, die Zügel in der Hand zu behalten, und hatte es ihm daher abgewöhnt, sie in ihrem eigenen Schlafzimmer aufzusuchen. Zu Beginn ihrer Ehe war er weniger fügsam gewesen. Er hatte darauf bestanden, sie zu nehmen, wann immer er wollte, und eine Weile lang hatte sie sich verpflichtet gefühlt, ihm zu Willen zu sein. Doch inzwischen hatte sich Joseph ihren Vorstellungen angepaßt. Eine Zeitlang hatte er sie auch noch mit unanständigen Forderungen belästigt; er wollte sie bei eingeschaltetem Licht lieben oder beim Akt unter ihr liegen, ja er hatte von ihr sogar unaussprechliche Dinge verlangt, die mit dem Mund auszuführen gewesen wären. Augusta hatte sich all diesen Anträgen standhaft widersetzt, und mittlerweile hatte er es längst aufgegeben, sie damit zu behelligen. Doch jetzt durchbrach er auf einmal die gewohnte Routine. Augusta kannte den Grund. Maisies nackter Körper, die festen jungen Brüste und das buschige sandbraune Kraushaar hatten ihn erregt. Die Erkenntnis stieß ihr übel auf. Sie schob ihn von sich. Joseph sah sie böse an. Er soll auf Hugh böse sein, nicht auf mich, dachte sie und legte in einer versöhnlichen Geste die Hand auf seinen Arm. »Später«, sagte sie. »Ich komme später zu dir.« Er nahm es hin. »In Hughs Adern fließt schlechtes Blut«, sagte er. »Das ist das Erbe meines Bruders.«
»Nach diesem Vorfall kann er unmöglich weiter bei uns wohnen bleiben«, sagte Augusta in einem Ton, der kaum Widerspruch zuließ, und Joseph versuchte es auch gar nicht erst. »So ist es«, sagte er.
»Außerdem mußt du ihn entlassen«, fuhr sie fort. Jetzt regte sich sein Eigensinn. »Ich darf dich bitten, dich mit Äußerungen, die die Bank betreffen, zurückzuhalten.«
»Joseph, er hat eine unglückliche Frau« - dies war der gängige Euphemismus für Prostituierte - »in dieses Haus gebracht und dich damit zutiefst beleidigt.«
Joseph wandte sich ab und setzte sich an seinen Schreibtisch. »Ich weiß, was er getan hat. Ich bitte dich nur, das, was hier in diesem Haus geschieht, strikt von den Angelegenheiten der Bank zu trennen.«
Augusta entschied sich für einen vorläufigen Rückzieher. »Wie du meinst. Ich bin sicher, du weißt selber am besten, was du zu tun hast.«
Es nahm ihm immer den Wind aus den Segeln, wenn Augusta unerwartet nachgab. »Ja, es ist wohl das beste, wenn ich ihn entlasse«, sagte er nach einer Pause. »Wahrscheinlich wird er wieder zu seiner Mutter nach Folkestone ziehen.« Augusta war sich dessen nicht ganz sicher. Sie hatte noch keine Strategie entwickelt und sagte, was ihr gerade in den Sinn kam: »Und womit wird er sein Geld verdienen?«
»Weiß ich nicht.«
Augusta merkte, daß sie einen Fehler begangen hatte. Als Arbeitsloser ohne vernünftige Beschäftigung, aber voller Ressentiments gegen jene, denen er seine mißliche
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