Die Pfeiler des Glaubens
diesem Unbehagen des Oberstallmeisters gesellte sich noch die Sorge um die absehbar heftige Reaktion des Grafen von Espiel, sobald er von dem Tod seines Pferdes erfahren würde.
»Wir haben dir Gelegenheit geboten, Erfolg zu haben, und du hast sie mit Füßen getreten«, tadelte der Oberstallmeister Hernando vor allen Angestellten des Marstalls, nachdem José Velasco mit Hernando auf seinem Pferd von den Stierweiden in den Marstall zurückgekehrt war. »Ich kann nichts mehr für dich tun. Jetzt bist du in den Händen der Justiz und des Grafen von Espiel. Immerhin gehört ihm das Pferd, das du zugrunde gerichtet hast.«
Aber Hernando hörte gar nicht hin. Er reagierte auf keinen von Don Diegos Vorwürfen. Er war immer noch in diesem magischen Moment gefangen, in dem Azirat seinen Willen durchgesetzt und sein Schicksal selbst entschieden hatte.
»Schafft ihn ins Gefängnis«, trug der Grande seinen Lakaien auf. »Das ist ein Befehl von Don Diego López de Haro, dem Oberstallmeister Seiner Majestät König Philipp II.«
Gefängnis! Vielleicht wäre er am besten mit Azirat auf der Weide gestorben, dachte Hernando auf seinem Weg über den Campo Real zum Alcázar. Es gab für ihn keinen Grund mehr zu leben. José Velasco und mehrere andere Männer aus dem Marstall eskortierten ihn. Hernando humpelte, er hatte Schmerzen und ging an Josés Arm. Der Lakai war immer noch hin- und hergerissen. Er hatte es mit eigenen Augen gesehen! Sie gingen unter der Brücke der Mezquita hindurch und dann weiter die Calle de los Arquillos hinauf.
Nur Gott allein konnte Azirats Schritte gelenkt haben, so wie er auch die Schritte der Gläubigen lenkt, schlussfolgerte Hernando. Aber wozu das Opfer? Was wollte Gott ihm sagen?
José Velasco zupfte Hernando am Ärmel der Marlota, als dieser in Gedanken versunken stehen blieb.
Worin bestand die göttliche Botschaft?
»Geh weiter!«, befahl ihm einer der Männer und stieß ihn von hinten an. Der Hieb hätte ihn beinahe zu Boden geworfen.
José Velasco ließ Hernandos Arm los und sah ihn an.
»Jetzt mach mir das Ganze nicht noch schwerer«, bat er.
Da entdeckte Hernando die Puerta de los Deanes, die auf den Hof der Mezquita führte, sie war nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt. José Velasco folgte seinem Blick.
»Tu es nicht, Hernando«, bat ihn der Lakai.
Doch trotz der Schmerzen im ganzen Körper rannte Hernando los, auf das Kirchenportal zu.
Er passierte die Puerta de los Deanes genau in dem Moment, als sich die drei Männer auf ihn stürzten. Hernando schrie und trat um sich, aber seine Gliedmaßen gehorchten ihm nicht mehr. Unter den neugierigen Blicken der Passanten gelang es José Velasco, den Morisken festzuhalten, während seine Begleiter aus dem Marstall ihn an Knöcheln und Handgelenken packten und wieder auf die Straße schleifen wollten.
»Ruf es doch!«, drängte ihn ein Mann, der den Vorfall beobachtete.
»Was?«, rief Hernando verwundert.
»Jetzt sag es schon!«, forderte ihn ein anderer Mann auf.
Was sollte er sagen?
»Schutz der Kirche«, hörte er eine Frauenstimme rufen.
»Schutz der Kirche! Ich erbitte den Schutz der Kirche!«, rief Hernando schnell. Natürlich! Wie oft hatte er diesen Ruf schon gehört, wenn er sich zum Arbeiten in der Bibliothek der Kathedrale aufhielt.
Noch in der Puerta de los Deanes zögerten die Männer einen Augenblick, aber dann wollten sie den Morisken schnell aus dem Kirchenbereich zerren.
»Was macht ihr da?« Ein Geistlicher stellte sich ihnen in den Weg. »Habt ihr nicht gehört, dass dieser Mann in der Kirche Zuflucht gesucht hat? Lasst den Mann los, oder ihr werdet auf der Stelle exkommuniziert!« Hernando spürte, wie der Druck an seinen Händen und Füßen nachließ.
»Dieser Mann …«, versuchte José Velasco zu erklären.
»Die Immunität und den Schutz eines heiligen Ortes zu verletzen ist ein Sakrileg!«, belehrte ihn der Geistliche schroff.
Der Lakai gab den übrigen Männern vom Marstall das Zeichen, Hernando loszulassen.
»Du wirst in der Kathedrale nicht lange Zuflucht finden«, warnte ihn José Velasco. Er bangte bereits vor der Strafe, die ihm der Oberstallmeister auferlegen würde, weil er die Flucht seines Gefangenen nicht verhindert hatte. »Innerhalb der nächsten dreißig Tage werden sie dich wieder rauswerfen.«
»Das bestimmt der Provisor«, beschied ihm der Geistliche.
José und seine Männer waren irritiert und runzelten die Stirn.
»Und du«, sagte er dann zu Hernando, »suchst jetzt den
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