Die Pfeiler des Glaubens
vielen Tagen noch die Leichname seiner Liebsten suchen? Wenn die Banditen sie irgendwo in den Bergen zurückgelassen hatten, waren sie längst den Aasfressern zum Opfer gefallen. Das hatte er auf seinen Ritten durch die Wälder der Sierra immer wieder gesehen: Unzählige dieser Tiere lagen auf der Lauer, nichts wurde verschmäht.
Wenige Tage nach dem Fund von Ubaids sterblichen Überresten forderte Don Diego Hernando auf, seine Arbeit wiederaufzunehmen. Die Stutenherde befand sich zwar immer noch bei Sevilla, aber mit den Jungtieren im Marstall gab es genug Arbeit. Nach einigen Tagen stellte Aischa zufrieden fest, dass Hernandos Lebensgeister durch die Arbeit mit den Tieren langsam zurückkehrten. Sie schöpfte Hoffnung. Doch sie ahnte nicht, wie weit ihre Wunschvorstellung und die Wirklichkeit auseinanderklafften.
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D u musst dein Pferd dem Grafen von Espiel überlassen«, sagte Don Diego López de Haro eines Morgens, als er den Marstall betrat. »Der König hat es ihm geschenkt.«
Hernando blickte erschrocken auf.
»Aber … Ich … Azirat …« Hernando fehlten die Worte.
»Ich weiß, wie viel dir dieses Pferd bedeutet, und ich weiß auch, dass es eines der großartigsten Tiere ist, das unsere Zuchtstuten je hervorgebracht haben – abgesehen von seiner Fellfarbe. Du kannst dir natürlich ein anderes Tier aussuchen, ich biete dir sogar an, dass du dir eines der Zuchttiere nimmst, solange es keines von denen ist, die für den König persönlich bestimmt sind …«
»Ich will das Pferd behalten! Ich will Azirat behalten! Er gehört mir!«
Sofort bereute er seine Worte. Don Diego war gereizt, er zog die Augenbrauen hoch und ließ einige Augenblicke verstreichen, ehe er antwortete.
»Das Pferd gehört dir nicht, und es wird dir niemals gehören. Außerdem ist hier absolut nicht von Belang, was du jetzt oder in Zukunft willst. Die Abmachung war klar. Du hast immer gewusst, dass der König es jederzeit für sich beanspruchen kann, und der Graf hat sich ausdrücklich dieses Tier gewünscht.«
»Aber das Pferd wird bei ihm sterben. Der Graf kann nicht reiten, und von Stierkampf versteht er auch nichts!«
Don Diego war sich dessen sehr wohl bewusst. Hernando hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sich der Oberstallmeister immer wieder über den Grafen von Espiel lustig gemacht hatte, der bei seinen Ausritten meistens in seinem gepolsterten Prunksattel saß und …
»Es steht dir nicht an, die Reitkünste eines Aristokraten zu beurteilen«, erwiderte Don Diego ungewöhnlich schroff. »In einem einzigen seiner Reitstiefel steckt mehr Ehre und Ergebenheit gegenüber der spanischen Krone, als deine Gemeinschaft jemals erbringen kann. Ich warne dich. Hüte deine Zunge!«
Hernando ließ die Arme sinken und beruhigte sich allmählich.
»Darf ich?«, stammelte er, doch worum sollte er den Granden bitten? »Dürfte ich wenigstens ein letztes Mal mit ihm ausreiten?« Don Diego zögerte. »Vielleicht … Ich weiß nicht … Vielleicht habe ich mir diesen letzten Gefallen verdient, Hoheit. Es wäre nur ein letzter Ausritt. Ihr versteht mich, Ihr seid selbst ein vorzüglicher Reiter. Und Ihr wisst, wie hart es das Schicksal in letzter Zeit mit mir …«
Es bringt Unglück, wenn man den Namen eines Pferdes ändert. Abbas hatte mit seiner Warnung recht behalten! Hernando dachte seit dem Vorfall in Lomo del Grullo nur ungern an den Schmied. Sie begegneten sich zwar durchaus in den Stallungen, sprachen aber kein Wort mehr miteinander, sie grüßten einander nicht einmal. Er konnte ihm einfach nicht verzeihen!
Hernando hob sich auf Azirats Rücken, und das Pferd wurde nervös, als sich sein Reiter abrupt im Sattel einrichtete. Er war wütend! Azirat schüttelte sich und schnaubte. Don Diego stand auf dem großen offenen Platz im Marstall und beobachtete aufmerksam die Szene. Er legte seine Hand ans Kinn und bedachte seine Entscheidung. Aber Hernando ließ ihm keine Zeit, er galoppierte einfach los. Als er am Oberstallmeister vorbeiritt, senkte er ehrfürchtig den Kopf.
Für welche Sünden musste er büßen? Warum hielt Gott diese Strafen für ihn bereit? Innerhalb von etwas mehr als einem Jahr hatte er fast alle seine Lieben verloren: zuerst Hamid, dann Karim und schließlich Fatima und die Kinder … Hernando trocknete seine Tränen mit dem Ärmel der Marlota. Abbas hatte sein Versprechen nicht gehalten! Und jetzt nahmen sie ihm auch noch Azirat!
Der Graf von Espiel hatte erreicht, dass ihm der König ausgerechnet dieses
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