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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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diesem Platz umgebracht! Hernando musste tief Luft holen … In jener Nacht hatte er Fatima zum ersten Mal gesehen, in jener Nacht waren seine beiden Stiefschwestern gestorben. In jener Nacht war er für seine Mutter zum Helden geworden – eine Mutter, die jetzt nur noch Verachtung für ihren Sohn empfand.
    Als ihn der Mann aus dem Dorf hinausführte und auf das einstige Haus der Familie Ruiz – sein Elternhaus – zuging, begriff Hernando, dass der Vogt den ehemaligen Maultierstall nun für seine Pferde nutzte. Je näher sie dem Stall kamen, desto deutlicher meinte er das Geräusch der unregelmäßig klappernden Hufe zu hören, das die bevorstehende Ankunft der Maultierkolonne ankündigte. Sogleich ergriff ihn die Panik von damals. Ibrahim … Was war wohl aus ihm geworden? Hoffentlich war er längst tot!
    Hernando begutachtete die vier Pferde des Vogtes und täuschte dabei zunächst größeres Interesse vor, um sich in Ruhe umsehen zu können. In einer Ecke entdeckte er tatsächlich den Amboss, auf dem er einst Hufeisen repariert hatte. Das Wohnhaus selbst war unbewohnt und diente als Lager. Der Vogt berichtete ihm außerdem stolz, dass er mit seiner Frau darin Seidenraupen züchtete.
    »In den Zimmern im Obergeschoss war alles bestens vorbereitet. An den Wänden hingen sogar schon die Zuchthürden für die Seidenkokons«, erklärte er. »So konnte ich die Arbeit dieser Ketzer bestens nutzen!«, sagte er vergnügt und lachte.
    Doch seine Stimmung schlug um, als Hernando ihm zu verstehen gab, dass er keines der Tiere kaufen werde.
    »Ihr werdet hier in den Bergen keine besseren Stuten finden«, meinte er vorwurfsvoll und spuckte auf den Boden.
    »Es tut mir leid«, erwiderte Hernando. »Aber deine Gäule sind für den Marstall des Herzogs von Monterreal nicht gut genug.« Bei der bloßen Erwähnung des Aristokraten wurde der Mann unruhig – ihm wurde schlagartig klar, dass er gerade den Herzog persönlich beleidigt hatte.
    Träge, faul und bequem: Anders konnte Hernando die neuen Siedler nicht bezeichnen, die sich auf dem Grund und Boden breitgemacht hatten, der einst seinem Volk gehörte. Er ließ den Vogt samt Klepper und Kokons hinter sich und ritt in die Berge. Die so vertraute Umgebung bot einen trostlosen Anblick: All die kleinen fruchtbaren Terrassenfelder, die die Morisken den Bergen in jahrelanger Arbeit mit ihren Hacken abgerungen hatten, lagen nun von Unkraut überwuchert vor ihm. Die niedrigen Steinmauern, die sich den Berghang hinaufzogen und die kleinen Felder vor Erosion schützten, waren an vielen Stellen eingefallen, und das Erdreich bahnte sich seinen Weg durch die entstandenen Lücken. Die Kanäle und Gräben, die einst Felder und Gemüsegärten mit Wasser versorgt hatten, waren in sich zusammengefallen, und das kostbare Nass – dieser Quell des Lebens – bahnte sich seinen eigenen Weg durch dieses unkultivierte Land.
    Unbrauchbar für die Landwirtschaft und unfähig für die Viehzucht, war Hernandos einzige Schlussfolgerung. Jeder der neuen Siedler besaß dreimal so viel Land wie damals die Morisken, und dennoch waren sie am Verhungern – und um Ausreden für diesen allgegenwärtigen Verfall nicht verlegen.
    »Die Felder gehören dem König«, erklärte ihm ein beleibter Galicier in einer Schenke. »Sie unterstehen dem Corregidor von Granada. Genau wie die Weiden hoch oben in den Bergen, wo das Vieh im Sommer Gras und ein paar Sträucher findet. Weil das Land für die Allgemeinheit da ist, schicken nun auch viele bedeutende Familien aus der Stadt, die mit dem Corregidor befreundet sind, ihre Herden zum Weiden in die Alpujarras. Und die lassen ihre Tiere auch die Ernte auf den Feldern und die Maulbeerbäume leer fressen! Aber das Schlimmste ist: Wenn sie ihre Tiere wieder abholen oder auf eine andere Weide bringen, schicken sie bewaffnete Männer, die die besten aussuchen und mitnehmen, selbst wenn sie ihnen nicht gehören.«
    »Exzellenz, sie plündern uns aus!«, rief ein Mann. »Und der Oberrichter in Ugíjar unternimmt nichts dagegen!«
    Hernando hörte ihnen gar nicht zu. Wehmütig erinnerte er sich daran, wie er als Junge die Herden zusammenführen musste, die sie zuvor geteilt hatten, um die Abgaben zu umgehen.
    »Wird Eure Exzellenz uns helfen?«, fragte der Galicier und wollte Hernando am Arm packen. Ein alter Mann hielt ihn jedoch zurück.
    »Ich bin hier, um Pferde zu kaufen«, erwiderte Hernando schroff. Was wussten diese Christen schon von Plünderungen und der Missachtung von

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