Die Pfeiler des Glaubens
von Granada entfernt, denn sie wollten bei ihren Gastgebern nicht zu einer unangemessenen Zeit eintreffen.
Am nächsten Morgen zeigte sich Don Sancho überrascht, dass Hernando darauf bestand, noch vor ihrem Aufbruch in die Kirche zu gehen. Was er nicht wusste: Dort hatten Hernando und Fatima die christliche Ehe geschlossen, nachdem er sich im Feldlager des Don Juan de Austria ergeben hatte. Fatima … Die Kirche war zu dieser frühen Stunde leer und kalt – wie Hernandos Herz. Er kniete an einer der Gebetsbänke nieder und schloss die Augen.
»Tod verheißt ewige Hoffnung«, flüsterte er immer wieder.
Dieser Satz verfolgte ihn, er schien seit dem Tag, als Fatima ihn zum ersten Mal ausgesprochen hatte, sein Schicksal zu bestimmen. Gott, warum? Warum musste Fatima …? Hernando wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, bevor er aufstand und zurück zu Don Sancho ging. Bis zu ihrer Ankunft in Granada sprach er kein einziges Wort.
Am späten Vormittag ritten sie durch die Puerta del Rastro. Die Stadt der Alhambra empfing sie mit einem düsteren Omen: Ein Totenkopf steckte in einem rostigen Eisenkäfig am Bogen des Stadttors. Einige Bauern und Händler, die das Tor ebenfalls passieren wollten, beschwerten sich, als Hernando stehen blieb und den Strom der Menschen zum Stocken brachte, um die Inschrift über dem Käfig zu lesen:
Dieses Haupt gehört dem elenden Hund Aben Aboo,
der mit seinem Tod den Krieg beendete.
»Hast du ihn gekannt?«, flüsterte Don Sancho, während sich die Leute missmutig an der Maultierkolonne und dem edel gekleideten Reiterpaar vorbeidrückten.
Ibn Abbuh? Dieser kastrierte Schuft hatte ihn damals als Sklave an Barrax verkauft und seinem Stiefvater Fatimas Hand versprochen. Hernando spuckte aus.
»Offensichtlich«, stellte der Hidalgo fest und ritt hinter Hernando her, der unter dem Totenschädel des Königs von al-Andalus hindurchtrabte.
Sie folgten dem Lauf des Darro, der durch die Stadt floss, bis sie an der turbulenten Plaza Nueva ankamen, wo der Fluss in der Erde verschwand, um hinter der Kirche Santa Ana wieder aufzutauchen. Rechts ging es hinauf zur Alhambra, die erhaben über Granada thronte, links befand sich ein großes palastartiges Gebäude, dessen Bau noch nicht ganz fertiggestellt war.
»Wie finden wir Don Ponce?«, fragte Hernando den Hidalgo.
»Nichts leichter als das«, antwortete Don Sancho und sprach einen bewaffneten Büttel an, der vor der Baustelle postiert war. »Wir suchen den Wohnsitz von Don Ponce de Hervás«, sagte er in einem herrischen Ton.
»In diesem Moment hält sich Seine Exzellenz hier im königlichen Obergericht auf.« Der Mann deutete auf den Neubau, vor dem er Wache stand. »Soll ich einen Boten schicken?«
»Wir wollen ihn nicht belästigen«, gab Don Sancho zur Antwort. »Wir möchten nur zu seinem Haus gelangen.«
Der Büttel rief zwei Jungen herbei, die auf dem Platz spielten.
»Kennt ihr das Haus von Don Ponce de Hervás im Albaicín?«, fragte er sie.
Wenig später folgten Hernando, Don Sancho und die Diener mit den Maultieren den beiden Jungen durch das labyrinthische Gassengewirr des Albaicín-Viertels. Viele der kleinen Häuser, die einst Morisken gehört hatten, waren verriegelt oder aufgegeben, und wie in Córdoba standen anstelle der alten Moscheen nun neue Kirchen, Klöster oder Hospitäler. Zunächst ging es in engen Serpentinen steil bergauf, dann führte sie ein kurzer, nicht ganz so abschüssiger Weg direkt vor den Carmen des Richters. Die für das Stadtviertel typische Villa lag inmitten einer prächtigen, von Mauern umgebenen Gartenanlage am Hang. Sie saßen ab, überließen die Pferde den Dienern, und Hernando drückte jedem der beiden Jungen ein Geldstück in die Hand, während Don Sancho mit einem Türklopfer in Form eines Löwenkopfes an das doppelflügelige Tor pochte.
Ein Pförtner in Livree nahm sie in Empfang, und sobald er Hernandos Namen vernahm, erhellte sich seine Miene, und er eilte los, um seine Herrschaft über die Ankunft der erwarteten Gäste zu benachrichtigen. Hernando und Don Sancho lehnten derweil an einer der Balustraden, die die lang gestreckten, schmalen Zier- und Nutzgärten umzäunten, die unterhalb des Anwesens terrassenförmig den Hang hinab angelegt waren und an den nächsten Carmen oder eines der ehemaligen Wohnhäuser der Morisken grenzten. Die beiden Männer standen gebannt da: Sie waren umhüllt vom Duft der Frühlingsblumen und der blühenden Obstbäume, lauschten dem friedlichen
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