Die Pfeiler des Glaubens
Hilfe bitten. Du kannst dich weigern, sie zu heiraten. Das muss ich dann hinnehmen. Aber ich könnte mit dir nicht mehr unter einem Dach leben, wenn du mir deine Hilfe verweigerst.«
»Du verlangst von mir, dass ich sie heirate!«
»Ja, und? Die Leute, die du als deine Glaubensbrüder bezeichnest, wollen nichts mehr mit dir zu tun haben. Willst du etwa irgendeine andere Christin zur Frau nehmen? Was spricht gegen Rafaela? Du wirst mit ihr eine gute Frau haben, die sich um dich kümmert, die dich versorgt und die dir auch noch Kinder schenken wird. Du bist ein reicher Mann. Du besitzt ein Haus, du beziehst Einkünfte, du hast den Bauernhof mit den Pferden und dem Land. Warum willst du nicht heiraten?«
»Miguel, ich bin Muslim«, wandte Hernando ein.
»Und? In Córdoba gibt es viele Ehen zwischen Morisken und Christinnen. Dann kannst du deine eigenen Kinder im Sinne der beiden Religionen erziehen, die du doch ohnehin zusammenbringen möchtest! Für wen hast du all deine Arbeit geleistet? Für die Leute, die dich ablehnen und beschimpfen? Wie stellst du dir deine Zukunft vor? Nimm Rafaela zur Frau und sei glücklich!«
Sei glücklich! Diese beiden Worte waren ihm den ganzen Tag durch den Kopf gegangen, ehe er sich aufraffen konnte, an der Tür des Jurados zu klopfen. Hatte er jemals sein Glück gesucht? Ja, mit Fatima und den Kindern war er glücklich gewesen. Wie lange war das her! Vierzehn Jahre lag ihre Ermordung nun schon zurück. Und was war inzwischen aus ihm geworden? Ein einsamer Mann. Die Trauer, die ihn bei seiner Reise nach Granada befallen hatte, als er zum anderen Ufer mit dem Carmen gesehen hatte, in dem Isabel lebte, stieg wieder in ihm auf. Miguel hatte recht. Für wen quälte er sich so? Sei glücklich! Warum eigentlich nicht? Rafaela war offensichtlich eine gute Frau. Miguel himmelte sie an. Und wenn Miguel bei ihm auszog? Dann verließ ihn der letzte Freund, den er noch hatte …
Er vergab sich doch nichts mit einer Eheschließung. Er malte sich aus, wie lärmende Kinder fröhlich durch das Haus rannten und ihn bei seiner Arbeit in der Bibliothek aufheiterten. Er stellte sich vor, wie er, auf das Geländer der Galerie gestützt, ihre Spiele unten im Patio beobachtete, so wie damals mit Francisco und Inés. Ja, vierzehn Jahre waren eine lange Zeit! Er war selbst überrascht, dass er bei dem Gedanken keine Schuldgefühle hatte: Rafaela war so anders als Fatima … Von Liebe konnte nicht die Rede sein, doch nur wenige Ehen wurden aus Zuneigung geschlossen. Es ging auch nicht um Leidenschaft, sondern um eine Möglichkeit, der trüben Einsamkeit zu entgehen, die ihn so oft übermannte. Er sah die Kinder vor sich, und auf einmal spürte er eine unbeschreibliche innere Ruhe.
»Was willst du, verdammter Maure?«
Don Martín Ulloa hatte nicht einmal den nächsten Tag abgewartet. Noch am selben Abend suchte er Hernando auf. Der bemerkte sofort den Degen in Don Martíns Gürtel. Miguel hielt sich hinter dem Stalltor verborgen und lauschte.
»Setzt Euch«, bat Hernando seinen Nachbarn.
»Auf den Stuhl eines Ketzers? Ich setze mich mit keinem Mauren an einen Tisch.«
»Dann nehmt Abstand von dem Mauren, der Euch so zur Last fällt.« Der Jurado folgte der Aufforderung sofort und trat einige Schritte zurück. Hernando blieb auf seinem Stuhl sitzen. »Ich halte um die Hand Eurer Tochter Rafaela an.«
Der Jurado war ein fülliger, alter Mann mit hochmütigem Auftreten. Das Grau seiner wenigen verbliebenen Haare und das Weiß seines dichten Vollbartes bildeten einen deutlichen Kontrast zu der aufsteigenden Zornesröte auf seinem Gesicht. Don Martín brummte zunächst einen unverständlichen Fluch, brach dann aber in schallendes Gelächter aus, ehe er sich in weiteren Beschimpfungen erging.
Miguel streckte besorgt den Kopf durchs Tor.
»Die Hand meiner Tochter! Wie kannst du es wagen, ihren Namen auch nur auszusprechen? Dein dreckiges Maul befleckt ihre Ehre und …«
»Eure Ehre«, fiel ihm Hernando mit bedrohlichem Tonfall ins Wort, »wird für immer beschmutzt sein, wenn der Rat der Stadt von Euren Machenschaften mit den Findelkindern erfährt. Eure Ehre, die Ehre Eurer Gemahlin, die Ehre Eurer Kinder, die Ehre Eurer Enkel …« Der Jurado griff zu seiner Waffe. »Don Martín, haltet Ihr mich für einen Dummkopf? Es waren die Mauren, die Ihr so hasst, die diese Stadt, in der wir beide leben, zu einer großartigen Blüte gebracht haben, und das war beileibe kein Zufall.« Hernando redete trotz des
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