Die Pfeiler des Glaubens
haben?«
Hernando sah sie erstaunt an.
»Und du, wünschst du dir das?«
Rafaela schien mit ihrer Frage von ihrem Mut verlassen worden zu sein.
»Ja«, flüsterte sie mit gesenktem Kopf.
Schweigend stiegen sie zu den Schlafzimmern im Obergeschoss hinauf: Rafaelas Schüchternheit übertrug sich auf Hernando. Er war sehr vorsichtig, immer bemüht, ihr nicht wehzutun. Er verzichtete auf die Lust, die er mit Fatima und Isabel gesucht hatte. Rafaela lag in ihrem langen Gewand auf dem Bett, und zeigte ihm nicht ihren nackten Körper.
Eineinhalb Jahre später wurde ihre Verbindung mit der Geburt ihres ersten Kindes gesegnet: Sie nannten den Jungen Juan.
62
I m Jahr 1600 hielt Don Pedro de Granada Venegas die Anwesenheit von Hernando in seiner Stadt für erforderlich. Er sah den Zeitpunkt für gekommen, dem Sultan das Barnabas-Evangelium zu übersenden, denn die Bleiplatten, die Don Pedro, Luna und Castillo seit dem ersten Fund so versteckt hatten, dass die Christen sie in den Höhlen des Valparaíso-Berges – der inzwischen nur mehr » Sacromonte « , also »H eiliger Berg « genannt wurde – auch immer fanden, hatten die gewünschte Wirkung erzielt.
Erzbischof Don Pedro de Castro setzte sich sowohl über die kritischen Stimmen hinweg, die jene neben den Bleibüchern vorgefundenen Knochen und Aschereste für Fälschungen hielten, als auch über die Forderungen aus Rom, angesichts der Funde Vorsicht walten zu lassen, und bewertete sie als authentisch. Granada besaß nun die Reliquien seines Stadtpatrons, des heiligen Caecilius, sowie der anderen Märtyrer, die den Apostel Jakobus nach Spanien begleitet hatten. Granada konnte sich von der Last befreien, eine Stadt der Mauren zu sein, und war den anderen christlichen Städten in Spanien endlich ebenbürtig! Granada war nun mindestens so christlich – wenn nicht noch christlicher – wie Santiago de Compostela, Toledo, Tarragona oder Sevilla.
Der Erzbischof von Granada verfügte sehr wohl über die Autorität und die Legitimation, die Reliquien als authentisch einzustufen, aber die Beurteilung der Bleibücher und die Anerkennung der darin vorgebrachten Doktrin oblag ausschließlich dem Papst, weshalb der Heilige Stuhl forderte, dass man die Platten nach Rom sandte. Don Pedro de Castro weigerte sich jedoch und hielt sie unter dem Vorwand zurück, die Übersetzung, die man Luna und Castillo übertragen hatte, erweise sich als überaus aufwendig.
Als Hernando in Granada eintraf, galten die Reliquien als authentisch, während die Bleibücher immer noch geprüft wurden. Doch diese Kompetenzstreitigkeiten schienen weder die religiöse Inbrunst der Bevölkerung von Granada noch die des neuen Königs Philipp III. dämpfen zu können, der zwei Jahre zuvor zum Herrscher bestimmt worden war und für das neue, so überaus christliche Granada größte Begeisterung zeigte.
Hernando ritt in Begleitung von Don Pedro de Granada Venegas zum Sacromonte, Castillo und Luna ließen sich entschuldigen. Die beiden Männer zu Pferde wurden dabei von einigen Lakaien begleitet. Sie folgten dem Lauf des Darro, bogen bei der Puerta de Guadix ab und erklommen dann den Heiligen Berg. Hernando war das letzte Mal vor drei Jahren in Granada gewesen, als er den Gefährten die so herbeigesehnte Abschrift des Barnabas-Evangeliums überbracht hatte. Inzwischen hatte die Entdeckung der Bleibücher das Interesse des Domkapitels von den Märtyrern in den Alpujarras abgelenkt, und die Domherren beauftragten Hernando nicht weiter mit Berichten darüber.
»Seitdem die erste Bleiplatte aufgetaucht ist«, stellte Don Pedro fest, »haben sich die Wunder und Erscheinungen gehäuft. Viele Menschen in Granada, darunter sämtliche Nonnen eines Klosters, haben vor dem Erzbischof bezeugt, über dem Berg merkwürdige Lichter gesehen zu haben. Sie wollen sogar himmlische Prozessionen zu den Höhlen miterlebt haben, die von heiligen Feuern beleuchtet wurden. Kannst du dir das vorstellen? Ein ganzes Nonnenkloster!« Hernando konnte nur noch den Kopf schütteln. »Glaubst du mir nicht?«, fragte Don Pedro. »Dann hör mir gut zu. Es kommt noch besser: Ein todkrankes Mädchen betete in der Höhle und wurde gesund. Die Tochter eines Beamten vom Obergericht, die seit vier Jahren bettlägerig war, wurde auf einer Trage liegend bis in die Höhlen gebracht und spazierte nach kurzer Zeit munter wieder heraus. Dutzende Menschen haben das in den Akten zur Anerkennung der Reliquie bezeugt. Selbst der Bischof von Yucatán ist aus
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