Die Pferde vom Friesenhof 02 - Wilde Jagd am Meer
beginnen, wir haben nicht viel Zeit«, drängte Klara, die mit Luna etwas abseits stand. Mit einer Hand pellte sie sich aus ihrer Weste und warf sie Nelly zu. »Die Färbepackungen findest du in den Taschen.« Charlotte machte den Anfang. Lea hielt Magic und Friso fest. Das ließ sich einfach bewerkstelligen, weil die im Moment nichts anderes im Sinn hatten, als ihre Zähne in das Gras zu schlagen.
Charlotte ging mit Nelly zur Wiese bei der Strandkorbhalle. Leon trottete nebenher. An der Rückwand der Halle lag ein aufgerollter Wasserschlauch. Davor ragte ein Baumstumpf aus der Erde, auf dem Charlotte Platz nahm. Nelly verschwand in der Halle und kam mit einer blauen Plastikmülltüte zurück, die sie Charlotte um die Schultern legte und vorn zusammenklebte.
In einem Fläschchen mischte Nelly die Zutaten, streifte Gummihandschuhe über und verteilte den Farbbrei auf Charlottes Haar.
»Hält bis zu vierundzwanzig Haarwäschen«, las Charlotte von der Packung vor. »Meine Mutter wird Krämpfe kriegen, wenn ich pechschwarz zurückkomme.«
»Sag einfach, die Friesenpferde färben ab«, schlug Nelly lachend vor und wusch ihre Gummihandschuhe unter dem Wasserschlauch sauber. »Fertig. Muss zwanzig Minuten einwirken. Du bist entlassen. Schick mir die Nächste.«
Kurz darauf bummelte eine Gruppe Urlauberinnen an Ingwersens Garten vorbei. Es waren vier ältere Tennisspielerinnen, die seit Jahren im Sommer nach Westerbüll kamen. Kopfschüttelnd blieben sie vor der Einfahrt stehen.
»Etwas komisch war er schon immer, der Ingwersen«, sagte die Älteste. »Aber dass er hier jetzt modernes Theater aufführt...«
Zum Glück gingen die Tennisdamen in ihr Hotel - und nicht zum Strand, wo sie sicher Ingwer Ingwersen getroffen und nach dem Theater im Garten gefragt hätten. Was war das für ein Stück, das an der Nordseestraße Nummer 9 zu sehen war? Gar keins - es war lediglich Nellys »Friseurladen«.
Im Schatten der Apfelbäume standen sieben Reiterinnen neben sieben Pferden, malerisch im Garten verteilt. Fünf Mädchen trugen blaue Müllsacke als Umhang. Windböen wehten die Folien hoch und brachten sie zum Knistern. Bei jeder Luftbewegung sahen die fünf aus wie blaue Frisbee-Scheiben mit Köpfen. Köpfen, auf denen feuchter Brei klebte. Die Pferde, die neben den Mädchen grasten, hielten großen Abstand zu ihnen. Sie verabscheuten den stechenden Geruch der Färbemittel. Hätten die Frauen zehn Minuten länger gewartet, wäre der Spuk vorbei gewesen - dann begann das Ausspülen in Nellys Garten.
Nach einer guten Stunde war die Färbeaktion beendet. Nelly hatte ganze Arbeit geleistet. Sie lief ins Haus und brachte einen Spiegel mit.
»Meine Güte«, flüsterte Charlotte, als sie sich darin betrachtete. Ein fremdes Mädchen mit üppigen schwarzen Locken blickte ihr entgegen. Nur die grünen Augen erkannte Charlotte als ihre eigenen. Sie stellte sich das fassungslose Gesicht ihrer Eltern vor, wenn sie ihnen mit »Tropennacht« im Haar begegnete. Wo ihre Mutter so stolz darauf war, dass Charlotte ihr so ähnlich sah. Stumm reichte sie den Spiegel weiter an Marie.
Auch die schluckte, als eine fremde Marie sie aus dem Spiegel anblickte. Paula dagegen reagierte ziemlich gefasst. Lisa und Katharina gefielen sich mit »Tropennacht« sogar besser als vorher.
Nur Nelly schien mit dem Ergebnis nicht zufrieden zu sein. Sie umkreiste die Mädchen, kniff die Augen zusammen und meinte schließlich: »Wenn ihr mich fragt - man erkennt Charlotte noch immer. Sie hat einfach diese auffällige Löwenmähne, egal ob braun oder schwarz. Wisst ihr, was euch alle wirklich verändern würde?« Sie blickte in die Runde und machte sich auf tierisches Geschrei gefasst. »Haare abschneiden.«
»Nein!«, riefen Marie und Paula so laut, dass ihre Pferde scheuten. Farbe ja - aber abschneiden? Das war Marie und Paula zu heftig.
Lisa und Katharina wollten zumindest über das Abschneiden mit sich reden lassen.
Charlotte seufzte: »Ich muss ja wohl oder übel alles mitmachen. Schließlich bin ich schuld an der vertrackten Geschichte.«
»Vielleicht genügt das Färben ja doch«, meinte Klara - allerdings ohne Überzeugung - und schwang sich in Lunas Sattel. »Zu Hause fragen wir die anderen. Vor allem Vanessa und Amber, die sind am cleversten.«
Als die Gruppe von Ingwersens Haus zurückkam, schaffte sie es mit Ach und Krach die Pferde abzusatteln, bevor Markus Eichhorn mit dem Reitunterricht fertig war. Meike Eichhorn rief bereits zum Mittagessen.
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