Die Pforte
Sie schob ihm das Messer unter die Achsel, mit der Klinge nach oben, und riss es dann mit aller Kraft nach oben. Travis hörte ein Geräusch, das an ein entzweireißendes dickes Gummiseil erinnerte, gefolgt vom Schmerzgebrüll des Kerls. Der Arm, den er jetzt nicht mehr unter Kontrolle hatte, zitterte heftig. Sie wiederholte die Prozedur bei seinem anderen Arm, drehte sich dann um und schlitzte ihm auch die Sehnen hinten in den Kniekehlen durch. Sein Gebrüll wurde schwächer, bis er nur noch leise stöhnte und gurgelte, weil seine Kehle voller Blut war.
Die Frau stand auf und legte das Messer beiseite. Dann bückte sie sich und packte den Mörder ihres Vaters hinten am Kragen.
Alles ging so schnell, dass Travis sie, selbst wenn ergewollt hätte, kaum hätte aufhalten können. Sie packte den Kerl am Schlafittchen, zog ihn etwas in die Höhe, schleifte ihn drei Meter über die Nadeln und den nackten Erdboden und ließ ihn dann mit dem Gesicht voran mitten in die weißglühende Glut des Lagerfeuers fallen. Er brüllte und zappelte wie wild, konnte aber nur noch hilflos mit den Gliedmaßen schlackern. Seine Kontrolle über sie war buchstäblich gekappt worden. Es gelang ihm, seine Rückenmuskulatur anzuspannen und ganz kurz das Gesicht zu heben, aber dann stellte ihm die junge Frau den Fuß auf den Hinterkopf und drückte ihn wieder tief in die Glut hinab. Ihren Fuß nahm sie erst wieder weg, als sein Haar Feuer fing. Zu dem Zeitpunkt gab er keinen Laut mehr von sich und rührte sich auch nicht mehr. Sie betrachtete ihn noch etwa zehn Sekunden lang; dann hob sie eins der Gewehre auf, das einer der Feinde fallen gelassen hatte, kippte den Hebel auf Automatik, ohne auch nur hinzuschauen, und jagte ihrem Peiniger eine ganze Salve in den Hinterkopf.
Sie ließ das Gewehr fallen und drehte sich wieder zu Travis um, und der Ausdruck ihrer Augen kam ihm kurz kaum noch menschlich vor. Dann blickte sie hinüber zu ihrem Vater, leblos zusammengesackt am Fuß des Baumes, und alle Zweifel an ihrer Menschlichkeit verflüchtigten sich im Nu.
Sie ging zu der Kiefer hinüber und sank neben seinem gefesselten Leichnam auf die Knie. Drückte sich ganz eng an ihn und schmiegte ihr Gesicht an seines, ungeachtet des vielen Bluts. Sie weinte wieder, vollkommen lautlos.
Travis entfernte sich erneut zum Rand des Lagers und lauschte auf das Gebrumm der fernen Quads. Dreißig Sekunden später verstummte es.
8
Travis rechnete damit, dass er die junge Frau behutsam aus ihrer Trauer würde lösen müssen. Sie mussten schnellstmöglich das Lager verlassen und sich günstig postieren, um die beiden letzten Feinde gleich bei ihrer Rückkehr zu erledigen.
Aber sie saß nur wenige Minuten bei ihrem Vater. Dann stand sie auf, holte sich noch einmal Travis’ Messer und schnitt den Toten vom Baum los. Sie ließ ihn flach auf den Boden sinken und blickte sich dann hilflos um.
Travis verstand sofort. «Wo wollen Sie ihn hinbringen?»
Ihr Blick verharrte bei dem dichten Kieferngehölz, in dem er sich zuvor verborgen hatte. «Dorthin.»
Travis ging in die Knie, lud sich den Mann auf die Arme und trug ihn zu den Bäumen hinüber. Er zwängte sich mit ihm zwischen den Zweigen hindurch und legte ihn schließlich an einer besonders geschützten Stelle ab. Dort verharrte er einen Moment, während die Frau noch einmal schweigend auf den Toten hinabschaute.
«Wir müssen rasch von hier verschwinden», sagte sie dann. «Sobald wir die beiden getötet haben, die auf den Quads weggefahren sind.»
«Gibt es noch mehr außer denen?», fragte Travis.
«Viel mehr.» Sie nickte in Richtung Lager. «Diese Typen haben stündlich per Satellitentelefon Bericht erstattet. Wenn ihre Leute nichts mehr von ihnen hören, werden sie wissen, dass etwas passiert ist. Sie werden per Hubschrauber Verstärkung schicken.»
Die Frau holte tief Luft, warf noch einen letzten Blickauf ihren Vater und wandte sich dann zum Gehen, zurück zum Lager. Dabei fiel Travis’ Blick erneut auf ihren rechten Arm. Die Metallklammern, die der Folterer in ihren Trizeps geklemmt hatte, sorgten nach wie vor dafür, dass Haut und Muskelgewebe dort auseinanderklafften, an die drei Zentimeter weit. Das Innere war voller schwarzer Klümpchen, und das Wundgewebe war sichtlich entzündet.
Paige, die seinen Blick bemerkte, streckte ihren Arm vor und musterte die Wunde. Dafür, dass sie sie offenbar zum ersten Mal betrachtete, fiel ihre Reaktion bewundernswert gefasst aus.
«Diese Klammern sollten Sie
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