Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee

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musste ihm also mitten über die Schulter gesaust sein. Jetzt schaute Shaw ihn an und brüllte: «Woher?», und Travis zeigte mit dem Arm hinter sich, und gleich darauf bestand die Welt nur noch aus Maschinengewehrfeuer.
    Sie schwärmten aus. Travis schloss sich ihnen an und sah die roten Punkte ihrer Laser-Zielmarkierungen über die etwa sechzig Meter entfernte Talwand huschen.
    Shaw brüllte ihnen zu, nicht so dicht zusammenzubleiben, mehr Abstand zwischen sich zu lassen. Er hatte den Satz kaum beendet, als ihn eine Kugel in den Hals traf und am Nacken wieder austrat, wo sie einen faustgroßen Krater hinterließ. Er kippte um, mit weit aufgerissenen Augen, und zerrte mit den Händen hektisch an seinem Kragen herum.
    Die Gruppe trennte sich, und die Männer schwärmten, um sich schießend, in verschiedene Richtungen aus. Einer von ihnen bückte sich, hob Shaws Gewehr auf undwarf es Travis zu, dem es glücklicherweise auch gelang, es zu fangen.
    Dann schloss er sich der Gruppe an, die in Richtung des Waldes spurtete. Und während er mit ihnen durch das Lager rannte, holte er im Kopf verspätet die Entscheidung nach, die sein Körper längst getroffen hatte.
    Der Baum war so auffällig wie ein Obelisk, denn er war gut doppelt so dick wie alle anderen Bäume ringsherum. Travis stoppte im Lauf ab, schwang sich um den Baumstamm herum und fing an, mit dem Fuß die Nadeln beiseitezufegen, um die Stelle freizulegen, wo Paige das Loch gegraben und wieder zugeschüttet hatte.
    Irgendwo brüllte ein Mann auf und stürzte im Lauf mit voller Wucht zu Boden. Er lag da und schrie um Hilfe, doch schon Sekunden später hörte Travis nur noch ein Gurgeln, während sich seine Luftröhre mit Blut füllte.
    Travis ließ das Gewehr fallen, fiel neben dem Loch auf die Knie und begann mit bloßen Händen zu graben. Die Erde war erst vor anderthalb Tagen bewegt worden und daher noch recht locker, aber trotzdem kam er nur äußerst mühsam voran.
    Er würde es nicht schaffen. Niemals. Ausgeschlossen.
    Weil der Killer wusste, dass es hier vergraben war. Travis hatte die Stelle ja selbst herausposaunt, draußen vor dem Hubschrauber.
    Wieder knackte es vernehmlich, ein weiterer Kopfschuss, ein paar Meter links von ihm. Als er hinschaute, sah er einen Körper, der noch in der Vorwärtsbewegung des Laufens begriffen war, dem jedoch die obere Schädelhälfte fehlte. Die Schulter prallte gegen einen Baumstamm, worauf der Tote eine kleine Drehung beschrieb,auf das Wurzelwerk hinuntersackte und zusammengekrümmt liegen blieb.
    Travis grub schneller, während ihm dröhnend das Blut in den Ohren rauschte – wieso konnte er das auf einmal so klar hören?
    Dann begriff er: Die Schüsse waren verstummt.
    Er hielt inne und schaute sich um.
    Alle Männer waren tot.

16
    Er griff wieder nach Shaws Gewehr und hob es an die Schulter. Seine Hände waren so dick mit Erde verschmiert, dass er nur mit Mühe den Finger um den Abzug legen konnte.
    Es war totenstill. Nur ein ganz leichter Wind ging und raschelte leise im zarten Grün der Schösslinge.
    Was hatte Shaw noch gebrüllt?
Augen offen halten nach einer Waffe
. Konnte man die Waffe des Killers also sehen?
    Travis ließ seinen Blick langsam von links nach rechts wandern, bemüht, nichts Bestimmtes ins Auge zu fassen, um so vielleicht am ehesten auf etwas zwischen den Bäumen aufmerksam zu werden.
    Dann sah er tatsächlich etwas – aber nicht vor sich.
    Am unteren Rand seines Blickfelds: ein blaues Schimmern. Gegen jeden Instinkt, seine Umgebung im Auge zu behalten, schaute Travis nach unten. Die letzte Handvoll Erde, die er beiseitegeschaufelt hatte, hatte eine münzgroße Partie der Oberfläche des Flüsterns freigelegt. DieFarbe schillerte über die Kugel und rief den Eindruck einer Miniaturwelt hervor, die nur aus Meer bestand und auf der überall zur selben Zeit Dämmerung herrschte.
    Etwas raschelte zwischen den Bäumen.
    Er hob blitzschnell den Blick, sah aber nirgends die leiseste Bewegung. Er wusste ja nicht mal zu sagen, wo das Geräusch hergekommen war. Im Knien drehte er sich nach allen Seiten um, konnte aber nichts entdecken.
    Der Killer war sehr vorsichtig, jetzt, wo nur noch sie beide übrig waren, obwohl eigentlich schon feststand, wie das hier enden würde. Fraglich war bloß, wie viele Sekunden er noch zu leben hatte.
    Wenn Sie es wecken müssen
…
    Ein Gedanke, der ihm wenig Hoffnung machte. Wie sollte ihm das Flüstern, egal, was genau seine Funktion war, in dieser Lage helfen? Eine