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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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beiden Händen an der Mauer ab und lehnte sich, so weit er konnte, in die Öffnung eines Lichtschachts. Die Mauer war zu dick, als dass er nach unten hätte blicken können, doch er sah den Wald, der sich von den Abhängen gegenüber der Brücke zur Aare herunterzog. Aus der Düsternis des Turmdachgeschosses heraus schillerte das Band des Flusses grün wie ein Saphir. Ein Mann konnte hier seinen Frieden und sein Glück finden …
    … wenn Frieden und Glück für ihn bedeuteten, sich den Ratschlüssen derjenigen zu ergeben, die die Welt an seiner Stelle regierten.
    Rudolf spürte die Veränderung im Raum. Langsam drehte er sich um. Der schlanke Mann mit der formlosen, locker fallenden Tunika musste vollkommen lautlos die Leiter ins Dachgeschoss heraufgestiegen sein. Er neigte sanft den Kopf.
    »Ihr habt Euch Zeit gelassen, Herr Gabriel«, sagte Rudolf. »Haben meine Wachen unten Euch nicht heraufgelassen?«
    »Die Verzögerung geschah während der Reise, nicht an ihrem Ziel«, erwiderte der dunkle Mann geschmeidig.
    »Eure Nachricht ist schneller gereist als Ihr.«
    »Das war so beabsichtigt.«
    »Es war keine gute Nachricht.«
    »Umso besser, dass sie schnell eingetroffen ist.«
    »Ich hoffe, Euer Vertreter hat die Pfarrei gut geführt, während Ihr weg wart? Von Euren Schäfchen habe ich jedenfalls keine Klagen gehört.«
    »Sie würden niemals unzufrieden mit etwas sein, das Ihr geregelt habt, Erlaucht.«
    »Und Ihr, Hochwürden Gabriel?«
    Der Pfarrer von Brugg lächelte. »Der Hirte ist zufrieden, wenn es seine Herde ist.«
    Vom nächstunteren Turmgeschoss ertönte Gepolter, Keuchen und unterdrücktes Fluchen. Eine Stimme, die trotz aller Wut flach war vor Erschöpfung, sagte: »Seid vorsichtig, ihr Bastarde. Das ist keine tote Sau, die ihr da tragt.«
    Der Pfarrer hob eine Braue und sah Rudolf in die Augen. Dann wanderten seine Blicke weiter zu einem Thronsessel, der einsam mitten im Raum stand. Rudolf zuckte mit den Schultern.
    »Sehr zuvorkommend«, sagte der Pfarrer. »Ihr wisst, dass ich die Sache für Euch bequem auf der Reise hätte erledigen können.«
    »Ich sehe den Menschen, für deren Fehler ich bezahlen muss, gern noch ein letztes Mal ins Gesicht«, erklärte Rudolf.
    In der Öffnung im Boden erschien das hochrote Gesicht einer der Turmwachen. Der Helm saß ihm schief auf dem Kopf. Er nickte Rudolf zu, keuchte: »Mit Eurer Erlaubnis, Erlaucht!«, und zerrte dann mit beiden Händen an etwas, das schwer zu sein schien und das er die Leiter hochzuhieven versuchte. Die Leiter ächzte. Ein von einer Gugel verhüllter Kopf wurde sichtbar. Der Wächter hielt die Gestalt, die er heraufschleifte, unter den Achseln fest. Ein zweiter Wächter wurde sichtbar, der sich die Beine der Gestalt unter die Arme geklemmt hatte und ächzend versuchte, das Gleichgewicht auf der Leiter zu halten und seinem Kameraden gleichzeitig von unten zu helfen. Der Pfarrer bückte sich wortlos und hievte mit an. Schließlich hatten sie die vermummte Gestalt ganz ins Dachgeschoss gebracht. Die beiden Wächter warfen Rudolf einen Blick zu. Rudolf machte eine Kopfbewegung zum Thronsessel. Sie schleiften die Gestalt dorthin und rangen und zerrten, bis sie sie darauf platziert hatten. Danach kletterten beide Wächter ohne ein Wort die Treppe hinunter; der hintere klappte die Falltür hinter sich zu.
    Langsam trat Rudolf zu der Gestalt auf dem Thronsessel. Sie hing schlaff darauf wie eine Leiche. Ihr Atem pfiff. Uringeruch stieg von ihr auf. Rudolf schlug die Kapuze zurück.
    »Warum tut Ihr mir das an, Graf Rudolf?«, keuchte der Mann auf dem Thron. »Diese Bastarde haben mich heraufgeschleppt wie ein Stück totes Fleisch.«
    Rudolf richtete sich wieder auf. »Aber Ihr seid totes Fleisch, Guilhelm.«
    Guilhelm de Soler kniff die Augen zusammen. Sein Blick streifte den Pfarrer. »Dieser Oberbastard dort hat Euch schon über alles in Kenntnis gesetzt, soweit ich weiß.«
    »Wollt Ihr mir Eure Version der Geschehnisse schildern?«
    »Habt Ihr mich deswegen der Demütigung ausgesetzt, mich hier herauftragen zu lassen?«
    Rudolf schüttelte den Kopf. Guilhelm schnaubte. »Ich würde Euch vor die Füße spucken, wenn ich nicht vollkommen ausgedörrt wäre.«
    »Ihr habt Rogers de Bezers laufen lassen, Ihr verdammter Krüppel«, zischte Rudolf. »Ihr hattet ihn in der Hand und habt ihn durch Eure Finger schlüpfen lassen.«
    »Ich kann ihn wiederfinden«, krächzte Guilhelm. »Wo kann er schon hin? Er wird bei seinen Leuten im Langue d’Oc

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