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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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schlimm als die Tatsache, dass er dafür Elsbeth hinters Licht geführt hatte. Hinters Licht, genau – das war die richtige Beschreibung. Der Weg von Albi war der Weg des Lichts und der Wahrheit, und ausgerechnet mit dem Menschen, der ihm ein und alles war, hatte er diesen Pfad verlassen. Seine Verzweiflung war so groß, dass er sich Elsbeth unwillkürlich zuwandte.
    »Nein …«, stotterte er, »nein … ich habe nur daran gedacht … daran gedacht … wie wenig Zeit wir noch miteinander haben. Wenn ich nicht mehr bei dir sein kann, wird etwas von mir sterben.«
    Und obwohl auch das eine Lüge war, weil sein Entsetzen ganz andere Gründe hatte, war es zugleich die Wahrheit, weil er so empfand. Er hörte, wie sie ein Schluchzen unterdrückte.
    »Bleib doch«, wisperte sie. »Bleib doch. Bitte …«
    Er empfand nur umso tiefere Liebe für sie, weil sie ihn nicht bat, sie mitzunehmen. Sie wusste, dass ihre Aufgabe hier lag, in dem angefangenen Klosterbau, mit den jungen Nonnen, die sich auf sie verließen, mit dem merkwürdigen Baumeister, der hier – so jedenfalls hatte Godefroy es ausgedrückt – seine Berufung gefunden hatte, ohne es zu wissen und ohne dass er sie jemals irgendwo anders würde finden können.
    Statt einer Antwort küsste er sie. Sie erwiderte den Kuss verzweifelt. Er schmeckte ihre Tränen auf der Zunge. Dann wurde aus der Verzweiflung Verlangen, und die Leidenschaft, die die Waschung im See geweckt hatte und die immer im Hintergrund ihres Gesprächs gelauert hatte, gewann die Oberhand. Sie drängten sich erneut aneinander im Schutz von Godefroys zusammengebrochenem Kran, und diesmal verbannte Rogers alle Gedanken daran, wie ein Vollkommener auch den Moment der Ekstase steuern konnte, und während ein leichter Herbstregen begann und den Kran benetzte, gab er sich Elsbeth hin, so wie sie sich ihm hingegeben hatte, nur dass sie nicht ahnte, was es für ihn bedeutete.
    Im Morgengrauen weckte sie leiser Gesang. Elsbeth fuhr mit einem Ruck in die Höhe und zog den Mantel mit sich, und ein Schauer aus Tau- und Regentropfen, die sich auf dem festen Stoff über Nacht gesammelt hatten, ergoss sich über Rogers’ nackten Körper. Er holte erschrocken Luft. Die Luft war kalt und der Himmel wieder klar, überzogen vom Perlmutt der Vordämmerung.
    »Meine Schwestern …«, stöhnte Elsbeth. »Wir sind eingeschlafen … o mein Gott …! Das muss die Morgenandacht sein …«
    »Nein«, sagte Rogers. »Das würden wir nicht bis hier herauf hören.« Er kroch aus der Deckung des Krans und spähte zur Stadt hinunter. In den Gassen lagen Nebelfetzen, Nebel hing über dem Fischteich und zog sich wie ein Schleier den Bachlauf entlang. Halb versteckt in diesem Schleierband wanderten mehrere graue Gestalten in Richtung Wizinsten und sangen.
    »Es sind meine Brüder aus Ebra«, sagte Elsbeth an seiner Schulter grimmig. »Und sie haben bestimmt eine neue Teufelei ausgeheckt.«
    18.
WIZINSTEN
     

     
    Die Zisterzienser hatten ihren Auftritt so dramatisch wie möglich gestaltet. Bis Rogers und Elsbeth in der Stadt waren, hatten die Mönche den halben Rat zusammengetrommelt – und ihn in die Kirche gebeten. Der Zisterzienser, der schon letztes Mal Elsbeths Kontrahent gewesen war, führte auch diesmal wieder das Wort. Elsbeth platzte atemlos in die Kirche und versuchte sich zu orientieren, während sie zum Altar eilte und sich hastig bekreuzigte. Die Mönche hatten direkt vor dem Altar Aufstellung genommen, nicht hinter ihm wie der offizielle Pfarrer, aber doch nahe genug, dass man sehen konnte, sie handelten mit direkter Verbindung zu Gott.
    »Ah, ehrwürdige Mutter«, sagte der Zisterzienser. »Wie schön, dass Ihr unserem Ruf gefolgt seid.«
    Elsbeth machte ein grimmiges Gesicht und nickte. Die Eröffnung sagte ihr ebenso wie die betont milde Miene des Mönchs, dass er vorhatte, ihr und Porta Coeli heute den Todesstoß zu versetzen. Scheinheiliger, verlogener Teufel , dachte sie. Was sich allen anderen mitteilte, war hingegen dies: Die diaconissa der Zisterzienserinnen musste dem Ruf eines einfachen Zisterziensermönchs folgen, und sie tat es sogar mit solcher Hast, dass sie beinahe das Kirchenportal aus den Angeln gerissen hätte. Nur mit Mühe hielt sie eine Bemerkung zurück; sie wusste, dass es ihre Lage nur noch schlimmer gemacht hätte. Nach ihr kamen Reinhild und Adelheid in die Kirche, auch sie mit geröteten Gesichtern und fliegendem Atem. Elsbeth hatte sie aus dem Morgengebet geholt, das die

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