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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Gesicht trat ein panischer Ausdruck, aber der Respekt vor Meffridus war groß genug, dass sie, statt zu protestieren, in den Klosterbau eilte. Meffridus hob Ursi hoch, und das Kind sah auf ihn hinunter und ließ einen langen Spuckefaden aus dem Mund quellen. Meffridus grinste und bewegte die Kleine hin und her. Ursi gurgelte und lachte.
    »Ich werde auch eine Tochter haben, Ursi!«, sagte Meffridus. »Du bekommst eine Herrin, kleines Ding, und wenn du dich so gut um sie kümmerst, wie deine Mutter sich um ihre Mutter kümmert, dann … dann brechen hier goldene Zeiten an.« Er schaukelte Ursi mit den ausgestreckten Armen, und das Mädchen lachte erneut.
    Elsbeth konnte nicht widerstehen. »Wenn du das alles schon so genau weißt, welchen Namen soll deine Tochter dann erhalten?«
    Meffridus dachte einen Augenblick lang nach. »Federica«, sagte er dann. »Ja, das ist würdig. Federica.«
    15.
WIZINSTEN
     

     
    Am darauffolgenden Morgen erwachte Elsbeth aus einer katastrophalen Nacht. Nach dem Mitternachtsgebet hatte sie keine Ruhe mehr gefunden, obwohl ihr Körper nach Schlaf geschrien hatte. In einem Zustand zwischen Halbschlaf und Halbwachen gefangen, hatte sie sich auf ihrem Lager hin- und hergeworfen, die Erinnerung an Rogers im Herzen und Bilder von der schwangeren Constantia im Kopf. Um sie hatte sie Männer und Frauen gesehen, die mit dem Finger zeigten und riefen: Verbrennt die Sünderin, sie trägt ein Ketzerbalg! , und sie hatte erkannt, dass die Constantia in diesen Bildern in Wahrheit eine graue Kutte und ihre, Elsbeths, Züge trug. Was hatte verhindert, dass sie in der gleichen Lage wie Constantia war? Nur Rogers’ Praktik, bei jedem Beischlaf den Samenerguss zu verhindern! Was sie vor der einen Todsünde gerettet hatte, war in Wahrheit eine andere Todsünde. Man konnte irre werden an den Widersprüchen, die der Glaube einem aufzwang, und ganz besonders in den dunkelsten Stunden der Nacht, wenn der Schlaf einen floh. Irgendwann hatte sie die Strohmatratze auf den Boden geworfen, in ihrer Erschöpfung sicher, dass er die Angst, die Constantia gefühlt haben musste, aufgesaugt hatte und nun an sie weitergab. Auf dem nackten Stein hatte sie nicht besser geschlafen als zuvor auf dem Stroh, nur dass die bösen Gedanken wegen Constantias Schwangerschaft langsam erloschen waren und dafür der Erkenntnis Platz gemacht hatten, dass der Klosterbau am Ende war, wenn die Blockade des Kanals nicht entfernt werden konnte. Am Ende hatte sie sich auf den Boden gekniet und so lange und inbrünstig gebetet wie seit Monaten nicht mehr, voller Scham, dass es die nackte Furcht war, die sie dazu trieb, wieder mit Gott zu kommunizieren. Wäre es nicht Nacht gewesen, sie wäre über die Wiese zu Hedwigs Klause gestolpert, um nicht anders als die Frauen der Stadt Trost in Hedwigs vagen Visionen darüber zu suchen, dass das Licht schließlich siegen würde.
    Das Morgenmahl rührte sie kaum an, obwohl sie wusste, dass der Haferbrei ihrem kaltgewordenen Leib Wärme und ihrem Herzen Zuversicht gegeben hätte. Sie brachte nichts hinunter. Den Worten der Vorleserin, die aus der Bibel vortrug, die Elsbeth bei ihrem letzten Aufenthalt in Papinberc (Gott, und wie lange war das schon wieder her?) mitgebracht hatte, schenkte sie ebenso wenig Aufmerksamkeit wie den Handzeichen, mit denen die anderen sich während der schweigsamen Mahlzeit verständigten. War sie nun tatsächlich mit ihrem Rat am Ende? Sie hatte sich gegen die Intrigen der Mönche aus Ebra zur Wehr setzen können, aber die Blockade des Kanals war keine menschliche Heimtücke, sondern ganz offensichtlich ein Fingerzeig Gottes. Du hast dich verhoben, kleine Schwester Elsbeth – Hochmut ist eine Sünde, und ich will dich strafen dafür, dass …
    … du versucht hast, mir und der Reinheit des Glaubens einen Tempel zu bauen?
    Rogers hätte jetzt gesagt, dass die Welt die Schöpfung des Bösen und von dem Gott, an den die Romchristen glaubten, nichts anderes zu erwarten war.
    O Herr, vergib mir, wenn ich an dir zweifle, denn es ist die Verzweiflung, die aus mir spricht.
    Kurze Zeit später kletterte sie keuchend über den Rand des Damms, sich selbst dafür scheltend, dass sich die irre Hoffnung nicht hatte abtöten lassen, die Blockade möge über Nacht einfach verschwunden sein. Dass sie es nicht war, hatte schon das jämmerliche Rinnsal bewiesen, das auf dem Grund des Kanals getröpfelt war. Und da war sie, nicht anders als gestern, höchstens noch ein wenig mehr

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