Die Pforten der Ewigkeit
ist, unten Alarm zu schlagen. Wir haben nur eine Chance, die anderen zu befreien.«
20.
AUF DER STRASSE VON BRUGG ZUR ALTENBURG
Die kleine Prozession eilte, so schnell sie konnte, die Straße entlang, fort aus Brugg; in welche Richtung, konnte Sariz de Fois nicht erkennen. Sie zerrte an ihren Fesseln, mehr aus Ungeduld denn aus der Hoffnung heraus, sie lösen zu können. Die Männer hatten die Lederriemen nicht grob, aber doch fest genug zugezogen. Sie hatte kaum verstanden, was die Nachrichten gewesen waren, die ihre Bewacher aufgestört hatten. Sie glaubte herausgehört zu haben, dass Rogers ausgebrochen war. Sorge um seine Unversehrteit und Stolz auf ihn stritten sich in ihrem Herzen. Doch wenn er es tatsächlich geschafft hatte zu fliehen, hatten seine beiden Freunde bestimmt ihren Anteil daran, und zu wissen, dass er mit ihnen zusammen war, beruhigte Sariz. Sie lächelte, als sie daran dachte, dass ihr Mann, Ramons, zwei ebenso gute Freunde besessen hatte – Guilhelm de Soler und Guilhabert de Castres. Das Lächeln erlosch schneller, als es gekommen war. Guilhabert war irgendwo jenseits der Pyrenäen und rieb sich im vergeblichen Bemühen auf, die zerstreuten Bonhommes noch einmal zu vereinen, und Guilhelm … Rogers hatte ihr erzählt, was aus Guilhelm geworden war.
In den ersten Minuten der Hektik in ihrem Gefängnis im Obergeschoss des Turms hatte Sariz gedacht: Wenn Rogers entkommen ist und es eine Chance gibt, auch uns zu befreien, dann jetzt – während die Wachen noch unschlüssig sind, was sie tun sollen! Es war niemand gekommen. Sie hatte Adaliz beruhigt, hatte die Miene Ulrichs von Wipfeld ignoriert, den die Soldaten aus einer anderen Zelle herausgeholt hatten und der Rogers offensichtlich für einen Versager hielt, hatte sich an den Händen fesseln, auf ein Pferd heben und dann mit dem linken Fuß an der Planchette ihres Damensattels festbinden lassen, so wie auch Adaliz. Ulrich wurde mit beiden Füßen festgebunden. Es war die effizienteste Art, einen Gefangenen schnell zu transportieren und dabei unter Kontrolle zu halten. Nachdem sie sich in Marsch gesetzt hatten, steckten die Zügel der Pferde in den Fäusten von Soldaten. Spitze und Ende ihres kleinen Zuges bildeten ebenfalls zwei Berittene, die mit Bogen bewaffnet waren. Alles in allem bestand ihre Bedeckung aus einem knappen Dutzend Männer unter einem Sergeanten. Sariz bemühte sich, nicht zu resignieren. Wie Rogers, Walter und Godefroy sie aus dieser Menge Soldaten heraus befreien wollten, war ihr ein Rätsel, aber sie vertraute auf den Einfallsreichtum ihres Sohnes und die Tapferkeit seiner Freunde. Immerhin hatte sie schon einen Fehler bemerkt, den ihre Bewacher begangen hatten.
Ulrich von Wipfeld beugte sich zu ihr herüber und raunte: »Die haben so viele Fackeln angezündet, dass sie fast nachtblind sein dürften.«
Sariz nickte.
»Jetzt wäre die zweitbeste Möglichkeit, einen Überfall zu wagen. Wenn wir erst in Sichtweite der Burg sind …«
»Habt Ihr herausgefunden, wohin man uns bringt?«
»Zur Altenburg, dem Stammsitz Graf Rudolfs. Ich fürchte, Euer Sohn verspielt auch noch die zweite Chance.«
Sariz antwortete nicht. So schnell wurde man in den Augen eines jungen Heißsporns vom »Mesire« zum »Sohn«, nur weil man nicht das tat, was er von einem erwartete. Dabei war Ulrich nicht nennenswert jünger als Rogers. Sie seufzte im Stillen und erinnerte sich daran, dass ihrem Mann Ramons ständig vorgehalten worden war, wie kriegerisch und impulsiv sein Vater gewesen war. Ramons hatte selten allzu viel darauf geantwortet. Er hatte sich immer darüber gewundert, wie schnell man vergessen hatte, dass sein Vater Ramons-Rogers derjenige gewesen war, der am Anfang des Kreuzzugs gegen die Bonhommes ständig zu verhandeln versucht hatte. Er hatte erst zum Schwert gegriffen, nachdem man ihn nicht zu Gesprächen vorgelassen und seine Stadt Bezers mit all ihren zwanzigtausend Bewohnern vernichtet gehabt hatte (von denen ebenso viele Romchristen oder Juden gewesen waren wie Ketzer). Selbst als Ramons-Rogers in Carcazona belagert worden war, hatte er noch auf Verhandlungen gesetzt und sich unter dem Versprechen der freien Rückkehr ins feindliche Lager begeben. Die Anführer des Kreuzzugs, der Zisterzienser-Abt Arnaud Amaury und des Königs Feldherr Simon de Montfort, hatten ihr Versprechen gebrochen und Ramons-Rogers in den Kerker geworfen und dort vergiften lassen. Seitdem war Ramons-Rogers, der erste Trencavel, eine
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