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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Lichtgestalt unter den Bonhommes geworden, obwohl er selbst den Glauben eher nachlässig betrieben hatte, waren die Erwartungen an seinen Sohn hoch. Sariz erinnerte sich, dass ihr Mann einmal geseufzt hatte: »Du musst jung sterben, dann vergeben sie dir jeden Fehler.« Sie liebte ihn umso mehr dafür, dass er immer danach getrachtet hatte, mit ihr und den Kindern alt zu werden.
    Die Soldaten an der Spitze des Zugs blieben plötzlich stehen. In Sekundenschnelle bildete sich ein Ring um die Gefangenen. Bogen und Armbrüste wurden gespannt. Der Reiter, der die Nachhut gebildet hatte, richtete sich im Sattel auf und versuchte, die absolute Dunkelheit außerhalb des Fackellichts mit den Augen zu durchdringen.
    »Maman?«, fragte Adaliz unsicher.
    »Pst!«
    Nun konnte Sariz hören, was die Soldaten kurz vorher vernommen haben mussten: Hilferufe.
    »Heee!«, schrie jemand. »Hierher! Gott sei Dank seid ihr da! Hierher!«
    Sie hörte Schritte aus der Finsternis, als ob jemand auf ihre Gruppe zurennen würde.
    »Hee! Na, dem Himmel sei Dank! Helft uns! Wir kommen von der Burg und …«
    Die Soldaten sahen sich ratlos an. Überrascht erkannte Sariz, dass sie gar nicht darauf geachtet hatte, dass die Hilferufe in nordfranzösischer Sprache erklungen waren; der Sprache, die man auch …
    »… und sind ausgebrochen und …«
    … in England sprach.
    Eine schlanke Gestalt mit völlig verdrecktem Gewand tauchte am Rand des Fackelscheins auf und bremste so abrupt, dass seine Stiefelsohlen über die Straße rutschten. Sariz sah einen zu einem O aufgerissenen Mund.
    »… und brauchen Hilfe …!« Der Mann verstummte.
    Die Soldaten blinzelten. Ein unbeschreiblicher Geruch traf Sariz’ Nase. Wo immer der Mann dort vorne hineingefallen war, es konnte ihn nicht erfreut haben.
    »Das ist Walter!«, stieß Adaliz hervor.
    »Oh Kacke!«, murmelte Walter, dann warf er sich herum und floh in die Dunkelheit zurück.
    Bogensehnen schlugen gegen die Unterarme der Schützen. Sariz zuckte entsetzt zusammen. Jeden Moment erwartete sie den Aufschrei Walters zu hören, der von einem der Pfeile getroffen worden war. Der Sergeant brüllte: »Aufhören! Wir sollen die Kerle lebend fangen!« Sie sah, wie Ulrich von Wipfeld fassungslos den Kopf schüttelte und Adaliz sich die Hand entsetzt vor den Mund schlug. Die gesamte Vorhut ihres Zuges – der berittene Anführer und fünf Waffenknechte – stürmte in die Dunkelheit davon, Walter hinterher. Sie hörte Ulrich über »Amateure, die nicht einmal einen Befreiungsversuch ordentlich hinbekommen« fluchen. Als sie selbst in die Dunkelheit hinausstarrte, stellte sie fest, dass sie nichts, überhaupt nichts jenseits des Fackelscheins erkennen konnte. Sie setzte sich im Sattel zurecht. Die verbliebenen Soldaten drehten die Köpfe unsicher von links nach rechts. Sie waren ebenso blind, was die Umgebung betraf, wie Sariz. Sie lächelte.
    »Hier stinkt’s«, sagte einer plötzlich.
    »Die Sau da vorne hat so gestunken«, brummte ein zweiter.
    »Nein, das riecht anders … mehr nach …«
    Das nächste Geräusch war das überraschte »Uff!« eines Mannes, dem jemand aus der Dunkelheit heraus aufs Pferd gesprungen ist und ihn heruntergeworfen hat. Ihre Bewacher fuhren herum. Der zweite berittene Soldat lag auf dem Boden und versuchte halb betäubt, auf die Beine zu kommen. Der Mann, der jetzt auf seinem Pferd saß und nach Pferdeäpfeln und Misthaufen duftete, riss an den Zügeln, und der Gaul stieg hoch und versetzte seinem ehemaligen Reiter einen Hufschlag. Der Soldat legte sich wieder hin. Seine Kameraden rannten auf das Pferd zu, das jetzt auf den Hinterbeinen tanzte, bis auf einen, der fluchend versuchte, die drei Zügel festzuhalten. Sariz schlug ihrem Gaul die Fersen in die Weichen, und er machte einen Satz. Der Soldat wurde fast umgerissen. Er brüllte auf und packte mit der freien Hand ihren Fuß. Dann lag er plötzlich auf der Erde, sein Helm rollte auf einer Kante in die Nacht hinein, und eine abgerissene, kleine, erbärmlich nach Mist stinkende Gestalt schwang die Axt in der Hand, mit deren Breitseite sie zugeschlagen hatte, und machte eine kurze Verbeugung vor Sariz. Dann zog sie dem besinnungslosen Soldaten das Messer aus dem Gürtel.
    Weiter vorn, dort, wo die anderen Soldaten Walter verfolgten, ertönten das Wiehern eines Pferdes und dann der Krach, mit dem ein bewaffneter Reiter samt Gaul zu Boden geht, etwa weil das Pferd über einen Strick gestolpert ist, den jemand über die

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