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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Mund. Sie begann um sich zu schlagen. Er hielt sie so fest, dass sie dachte, er würde ihr die Zähne aus dem Kiefer brechen. »Hör auf damit, oder ich drück dir den Hals zu, und ich weiß nicht, ob ich rechtzeitig wieder loslasse!«
    Ihre Augen rollten. Noch nie im Leben hatte sie so große Furcht gehabt, noch nicht einmal damals vor fünf Jahren. Ihr Herz hämmerte, dass es wehtat.
    Rudeger wandte den Blick ab und starrte auf ihren Schoß. Das Messer sank noch weiter herab. Sie fühlte, wie es in sie eindrang.
    12.
WIZINSTEN
     

     
    Die Nacht war kalt. Sie war besonders kalt, wenn man im Matsch einer Gasse stand, der Alkohol im Blut sich langsam verflüchtigte, das letzte warme Essen schon ein paar Stunden her war und man daran dachte, dass hinter dem geschlossenen Fensterladen dort oben zwei Leute sich die Seele aus dem Leib vögelten, während man selbst … eben! … im Matsch der Gasse stand.
    »Reidiestude … hicks … reidistu … hicks … stu-hude …«
    »Mensch, Dipold, halt die Fresse.«
    »Wasollndasju … hicks … jungs? Ssssingthaltmit …«
    »Das dauert schon ’ne ganze Weile, was?«
    »Rudeger hat’s eben.«
    »Ich hab mir eingebildet, ich hätte Constantia vorhin schreien gehört.«
    »Was hat sie geschrien? ›Noch mal, du Hengst‹?«
    »Nein … hmm …«
    Der Laden oben bekam plötzlich einen feinen, flackernden Goldrand. Jemand hatte ein Licht entzündet. Die Männer unten stießen sich in die Seiten. Der Laden bewegte sich. Ein nackter Oberkörper wurde sichtbar.
    »He, Rudeger! Ist euch zu heiß geworden?«
    »Hee, Rudeger! Hat das vorhin gedonnert, oder war das euer Bett, wie es auf und ab gehüpft ist?«
    »Reidiestude … hicks!«
    Und, zu leise, um gehört zu werden: »Warum hat Constantia so geschrien?«
    »Männer!«, rief Rudeger oben mit großer Geste. »Wir haben etwas zu verkünden!« Er verschwand aus dem Fenster. Gleich darauf flatterte etwas durch den flackernden Lichtschein, so als hisse Rudeger ein Banner. Es war ein Bettlaken. Rudeger hielt es mit weit ausgebreiteten Armen auseinander.
    »Leck mich am Arsch, Rudeger, hast du sie gepfählt? Das sieht ja aus, als hättest du ’ne Kuh entjungfert.«
    »Der Umfang des Ergebnisses«, rief Rudeger und lachte, »hängt von der Größe des Werkzeugs ab.«
    »Hahahaha!«
    »Reidie … hicks!«
    »Geht nach Hause«, sagte Rudeger. »Mein Weib möchte schlafen. Und ich auch. In einer Woche gibt es Braten und Wein – hier im Haus, auf meine Kosten!«
    Sie ließen Rudeger hochleben und stapften dann davon, selbst nicht unglücklich darüber, dass ihre lüsterne Wacht nun endlich zu Ende war. Einer drehte sich noch einmal um.
    »Ich möchte wissen, warum sie so geschrien hat«, murmelte er.
    Ein anderer schlug ihm auf die Schulter. »Frag dich lieber, warum sie wieder damit aufgehört hat.«
    »Wahrscheinlich hatte sie plötzlich den Mund voll.«
    »Hahaha!«
    »Hicks!«
    Sie verschwanden in Seitengassen oder Hauseingängen. Wenige Augenblicke später lag die nördliche Mühlgasse vollkommen still unter dem Nachthimmel. Die Turmspitzen des Klosters und des alten Wachturms neben dem Virteburher Tor reckten dunkle Finger gegen die vage schimmernden Wolken. Am Haus von Rudeger und seiner Frau bewegte sich das weiße Laken in der Brise wie der fahle Flügel eines Totenvogels. In der Nacht wirkten die Spritzer darauf wie mit pechschwarzer Tinte aufgemalt, und nur wenn das Laken sich blähte und ein schwacher Lichtschimmer darauf fiel, leuchteten sie in der Farbe frischen Blutes.
    13.
AUF DER STRASSE NACH DAMIETTA
     

     
    Zwei Tage nach ihrem Aufbruch war bereits alles zur Routine geworden: das Reiten mit gefesselten Handgelenken, die schweigsame Aufmerksamkeit al-Mala’ikas und seiner Totschläger, das bizarre Bild, das Guilhelm de Soler auf seinem Pferd abgab – eingesperrt in den hölzernen Käfig, der in Wahrheit ein Gerüst war, um ihn aufrecht im Sattel zu halten und in dem sein schwerer Körper hing wie der einer riesigen Kröte. Guilhelm lenkte seinen Gaul mit der linken Hand. Seine Füße steckten in den Steigbügeln, doch jemand hatte sie dort hineinschieben müssen. Sein rechter Arm war an den Leib gebunden, damit er nicht baumeln konnte; offenbar waren Guilhelms Gliedmaßen leblos, aber nicht schmerzfrei. Rogers fragte sich nicht, warum Guilhelm sich die Tortur antat, sich auf das Pferd hieven und dort fixieren zu lassen; er nahm an, dass er, wäre er in Guilhelms Lage gewesen, kaum anders gehandelt

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