Die Pforten der Ewigkeit
Mann ist es, dem der Gruß gilt, nicht der Titel. Was soll ich zu dir sagen, mein Freund?«
»Wie wäre es mit: Leb wohl, gute Heimreise, tut mir leid, dich nicht länger begleiten zu können?«
Al-Mala’ika warf den Kopf zurück und lachte. Dann steckte er das Messer ein. »Guilhelm hat mir erneut verboten, mich mit deinen Sehnen zu befassen. Er hat seine eigenen Vorstellungen von Ritterlichkeit. Sie sind dumm.«
»Da kann ich dir nicht beipflichten«, sagte Rogers und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie erleichtert er war.
»Mit dir werden sie eine Menge Spaß haben, wenn du erst auf der Bank liegst.« Al-Mala’ika fasste herüber und klopfte ihm gut gelaunt auf die Schulter.
»Man bemüht sich, die Leute bei Laune zu halten.«
Al-Mala’ika lenkte sein Pferd beiseite und ließ es etwas schneller traben. Als Marschordnung hatte sich herausgebildet, dass Guilhelms Truppe die Vorhut bildete und die Männer des Persers die Nachhut, während die Gruppe um Alice de Chacenays Besitzer in der Mitte ritt. Sie schienen am wenigsten kampftüchtig, und so hatte Guilhelm, der inoffiziell als Karawanenführer angenommen worden war, verfügt, dass sie in der Nähe des Wagens bleiben sollten, den sie mitführten und in dem ihr Herr und seine Sklavin reisten. Guilhelm hatte gesagt, dass selbst solche nassen Lappen wie sie sich gegen Angreifer verteidigen könnten, wenn sie den Wagen als Deckung benutzten, und die Männer hatten ihn zwar böse angefunkelt, aber nicht widersprochen.
Rogers wandte sich um. An der Spitze des Zuges zu sein hatte den Vorteil, dass man nicht gar so viel Staub abbekam. Der Wagen schaukelte bereits in einer Art gelblichem Nebel, den die Pferdehufe der Vorausreitenden aufwirbelten; am Ende des Trecks musste man vermutlich Tücher vor Mund und Nase binden, damit man nicht erstickte. Er sah nach oben. Die Staubwolke stand über ihnen wie die Rauchsäule eines Großbrandes. Ein Blinder hätte sie auf Meilen Entfernung wahrgenommen. Das Gute daran war, dass es wirken musste, als wären sie doppelt so viele Männer. Ein alter Trick – wenn man seinen Vormarsch nicht verbergen konnte, dann versuchte man ihn wenigstens so aussehen zu lassen, als wäre ein halbes Heer unterwegs.
Rogers beobachtete al-Mala’ika dabei, wie er zu einem seiner Männer aufschloss und mit diesem sprach. Guilhelms Helfer besaß eine schlangenartige, gefährliche Jovialität, die sich darin ausdrückte, dass er einem oft auf die Schulter klopfte. Man konnte sich vorstellen, wie daraus blitzschnell ein Griff wurde, der einen Mann überraschte und auf die Knie zwang, wo das kleine Messer schon darauf wartete, ihm durch die Kehle zu fahren.
Al-Mala’ikas Gesprächspartner kippte seitlich aus dem Sattel und fiel zu Boden.
Rogers starrte. Selbst al-Mala’ika schien überrascht. Er gaffte den leeren Sattel an, in dem eben noch ein schwerbewaffneter Mann gesessen hatte.
Etwas machte ein dumpfes Geräusch. Rogers’ Pferd tat einen Satz und wieherte, dann drehte es sich wild um die eigene Achse. Rogers flog aus dem Sattel und prallte hart auf die Straße. Staub wirbelte auf, ließ ihn husten und spucken. Das Pferd stolperte neben ihm und trat mit den Hufen aus. Instinktiv rollte er sich beiseite. In der Hinterhand des Gauls steckte ein Pfeil fast bis zu den Federn im Fleisch. Das Tier wieherte und schnaubte. Ein weiterer Pfeil traf neben Rogers die Straße und zersplitterte. Ein dritter fuhr dem wildgewordenen Pferd durch den Hals. Rogers sprang auf und stierte fassungslos um sich.
Von irgendwoher kamen Pfeile geflogen. Es war keine Wolke wie in einer Schlacht, sondern einzelne, gezielte Schüsse. Schon lagen zwei Pferde reglos auf dem Boden, ihre Reiter lagen ebenso still daneben. Schreie ertönten – alle aus ihrer Gruppe. Der Angriff erfolgte völlig lautlos, wenn man vom Sirren der Pfeile und den dumpfen Aufschlaggeräuschen absah. Der Vormarsch des Trecks war zum Halten gekommen. Pferde drehten sich auf der Stelle. Die Panik war vollkommen. Noch mehr Staub wirbelte auf. Eine Stimme in Rogers’ Kopf versuchte die Überraschung zu überwinden und rief: Das ist die Gelegenheit! Flieh! ; aber eine andere Stimme war noch deutlicher zu hören, und sie brüllte: Deckung! Er warf sich neben dem zuckenden Leib seines Gauls auf den Boden und sah einen Pfeil von der Stelle abprallen, wo er gerade noch gestanden hatte. Der Pfeil wirbelte sich überschlagend davon. Er sprang auf und hechtete nach ein paar Schritten wieder
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