Die Pforten der Ewigkeit
allein. Der Perser war ebenfalls unter den Wagen gekrochen und lag zitternd dort. Er gab Rogers’ Blick flehentlich zurück. Ihm schien klar zu sein, dass al-Mala’ika und sein Trupp nicht zurückgekommen waren, um ihn zu befreien, und dass niemand auf ihn Rücksicht nehmen würde, wenn der Kampf aufs Neue entbrannte. Er probierte ein unsicheres Lächeln – he, Leute, ich habe euch neun Monate wie wilde Tiere in den Dörfern hergezeigt, aber nichts für ungut, in Wahrheit sind wir doch alle Freunde, oder?
Oder?
Guilhelm lag draußen auf dem Bauch und versuchte, sich mit seiner guten Hand vorwärtszuziehen. Seine Finger gruben Furchen in den Boden, ohne dass sein schwerer Körper sich bewegt hätte. Er wusste genauso wie der Perser, dass in der Hitze des Gefechts niemand auf einen Mann achten würde, der auf dem Boden lag, schon gar nicht bei all dem Staub in der Luft. Seine Blicke trafen die Rogers’, dann wandte Guilhelm die Augen ab und kämpfte stumm weiter. Sein Gesicht war puterrot und schweißüberströmt, der Staub klebte in Schlieren daran, und selbst auf die Distanz konnte Rogers den Uringeruch wahrnehmen, der vom ehemals besten Freund seines Vaters aufstieg.
Etwas knallte gegen die Wagenwand.
»Ein Armbrustbolzen«, keuchte Godefroy. Er robbte aus der Deckung und spähte nach oben. Ein weiterer Einschlag veranlasste Rogers dazu, den kleinen Johannitersergeanten zu packen und wieder hereinzuziehen. Godefroy fuchtelte mit den gefesselten Händen. »Irgendjemand hat eine verdammte Armbrust dabei!«
»Mit der er dich an den Boden nagelt, wenn du nicht aufpasst!«, schrie Rogers. »Was glaubst du, was sie tun werden?«
Walter zuckte mit den Schultern. »Ich weiß, was ich tun würde!«
»Was?«
»Einen Angriff wagen, so viel Schaden wie möglich anrichten und dabei feststellen, mit wie vielen Gegnern ich es zu tun habe, und mich dann in Armbrust-Schussweite draußen zwischen den Felsen verstecken und auf alles feuern, was sich bewegt.«
Godefroy packte Rogers am Arm. »Ich muss eine dieser Armbrüste kriegen!«
»Haha!«
»Nein, ich meine es ernst. Ich wette, dass es in ganz Terra Sancta keinen gibt, der die Armbrust so beherrscht wie ich.«
»Diese Franzosen sind solche Aufschneider«, seufzte Walter.
Rogers blickte wieder zu Guilhelm. Dieser lag regungslos am Boden, das Gesicht im Staub. Einen Augenblick lang glaubte Rogers, der dicke Mann sei tot, doch dann erkannte er, dass Guilhelm nur zu erschöpft war. Sein Atem rasselte, dass es über den Lärm der Banditen zu hören war. Ein Pfeil und ein weiterer Armbrustbolzen schlugen harmlos in die Bordwand des Wagens.
»Ich brauche so ein Ding!«, stöhnte Godefroy.
Der Angriff begann genau so, wie Walter es vorhergesagt hatte. Plötzlich tauchten größere Schemen im Nebel auf – Reiter. Sie jagten durch die locker stehenden Verteidiger hindurch. Klingen prallten aufeinander. Ein Reiter stürzte aus dem Sattel, wand sich und blieb dann reglos liegen. Eine Armbrust glitt aus seinen Händen.
Godefroy krabbelte auf allen vieren aus der Deckung, auf die herrenlose Waffe zu. Er streckte die Hände aus, aber er reichte nicht heran. Er versuchte es mit dem Fuß – ebenso vergeblich. Frustriert schrie er auf.
Ein dicklicher Schemen hüpfte durch den Staub, laut kreischend. Er sprang an Godefroy vorbei, ergriff die Armbrust und zog daran. Sie hing an einem Riemen um den Oberkörper des Toten. Der Riemen hielt. Das Gekreische nahm eine panikartige Note an.
»Schneid den Riemen durch!«, schrie Godefroy.
Der dickliche Schatten fummelte stöhnend am Gürtel des Reiters und zog einen Dolch hervor. Er begann, den Armbrustriemen durchzusägen. Kämpfende Männer torkelten und stolperten um sie herum. Das Gekreische war beinahe wie ein Gesang mit nur einer Strophe: »Ohmistohmistohmist…!«
» Meinen Riemen sollst du durchschneiden, du Schwachkopf!«, brüllte Godefroy außer sich. »Meine Fesseln.«
Der dicke Bursche, der niemand anderer war als der Perser, schaffte es, den Riemen zu durchtrennen. Er riss die Armbrust an sich, sauste davon, blieb stehen, als sich vor ihm ein Getümmel aus mehreren miteinander ringenden Männern aus dem Staub löste, kehrte um, warf Godefroy die Armbrust vor die Beine und verschwand quiekend wieder unterm Wagen.
»Schneid-meine-Fesseln-durch-du-Muttersau!« , röhrte Godefroy, dem die Augen vor Frustration hervortraten.
Statt des Persers kam Walter unter dem Wagen hervor. Seine Handfesseln waren durchtrennt. Mit
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