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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Der Schatten von Lucius Licinius findet keine Ruhe; er schwebt noch in diesem Moment in unserer Nähe, gestärkt von den Schatten seiner Vorfahren, die alle gemeinsam einklagen, daß wir, die Lebenden, diese Untat im Namen des Rechts korrigieren.«
    Ich versuchte in den Gesichtern der Trauergäste zu lesen. Sie betrachteten Crassus mit einer Mischung aus Bewunderung und Trauer, offen für jeden Vorschlag, den er unterbreiten würde. Sorge durchzuckte mich.
    »Es gibt Menschen, die sagen, Lucius Licinius wäre zweifelsohne ein guter Mensch gewesen, aber kein großer, ein Mensch, der in seinem Leben kein hohes Amt errungen, keine glorreichen Dinge geleistet habe. Ich fürchte, das ist die traurige Wahrheit; er wurde vor dem Gipfel seiner Karriere dahin gemeuchelt, und sein Leben wurde kleiner gemacht, als es hätte sein sollen. Doch sein Tod war kein kleiner Tod. Wenn es so etwas wie einen großen Tod geben kann, dann war es der Tod von Lucius - etwas so Grausames, Schreckliches, abgrundtief Falsches, eine Schmähung der Götter und Menschen zugleich. Ein solcher Tod verlangt mehr als Trauer und Mitleid, mehr als Worte des Lobes und Gelübde der Rache. Er verlangt, daß wir alle aktiv werden, wenn nicht als Werkzeuge der Rache, dann zumindest als ihre Zeugen.«
    Crassus hob den Arm. Links und rechts neben ihm machten sich der Designator und einer seiner Männer daran, ihre Fackeln zu entzünden.
    »Unsere Vorfahren haben vor sehr langer Zeit die Sitte begründet, zu Ehren der Toten Gladiatorenwettkämpfe abzuhalten. Normalerweise ist diese ruhmreiche Tradition dem Tod großer und mächtiger Männer vorbehalten, doch ich denke, die Götter werden einem Tag der Spiele für den Schatten von Lucius Licinius nicht abhold sein. Diese Spiele werden morgen auf der Ebene am Lucrinus-See stattfinden. Manche jammern, wir sollten die Verwendung von Gladiatoren aussetzen, weil Spartacus ein Gladiator war und kein Sklave Waffen tragen sollte, solange Spartacus noch frei herumläuft. Ich jedoch sage, es ist besser, die Traditionen unserer Vorfahren zu ehren, als einen Sklaven zu fürchten. Ich sage auch, daß diese Spiele nicht nur dazu dienen, dem Schatten von Lucius Licinius die letzte Ehre zu erweisen, sie sind auch eine Möglichkeit, mit der heiligen Pflicht zu beginnen, seinen Tod zu rächen.«
    Crassus trat beiseite. Er nahm eine der Fackeln und hielt sie an den Scheiterhaufen, während ihm gegenüber der Designator dasselbe tat. Das trockene Holz fing sofort Feuer und knackte, sogleich züngelten kleine Flammen hoch, und grauer Rauch stieg auf.
    Bald würde die Bahre von den Flammen verzehrt sein. Die Glut würde mit Wein gelöscht werden, bevor Crassus und Gelina die Knochen und die Asche von Lucius Licinius einsammeln, mit Duftölen beträufeln und in eine alabasterne Urne geben würden. Ein Priester würde die Menge reinigen, indem er unter ihnen wandeln und sie mit Hilfe eines Olivenzweiges mit Wasser benetzen würde. Lucius Überreste würden in seinem Grabmal versiegelt werden, und die Menge würde gemeinsam murmeln: »Lebe wohl, Lebe wohl, Lebe wohl...«
    Doch ich verließ die Feierlichkeiten, bevor all diese Dinge getan wurden. Ich wurde nicht gereinigt, und ich sagte auch nicht Lebewohl. Stattdessen schlich ich mich leise davon und kehrte mit Eco zum Haus zurück. Uns blieb nur noch so wenig Zeit, bevor das Gemetzel beginnen sollte.
    SIEBZEHN
    »Wo finden wir den Jungen Meto?« fragte ich mich laut. Das Atrium, in dem sich noch am Morgen Trauergäste und bedienende Sklaven gedrängt hatten, lag völlig verlassen da. Unsere Schritte hallten hohl in dem leeren Raum nach. Weihrauch und Blumen waren verschwunden, doch ihr Duft hing wie der Verwesungsgestank von Lucius Lucinius Leiche noch in der Luft.
    Ich folgte meiner Nase in die Küche. Lange bevor ich sie gefunden hatte, vernahm man schon die lärmende Betriebsamkeit. Es gab noch immer viel vorzubereiten für den großen Leichenschmaus.
    Wir traten durch eine große Holztür und wurden von Lärm und Hitze aufgesogen. Sklaven in bekleckerten und rußverschmierten Tuniken huschten hin und her. Heisere Stimmen schallten durch den Raum, schwere Messer sausten auf große Hackbretter nieder, Kessel kochten und zischten. Eco hielt sich gegen den Lärm die Ohren zu und wies mit dem Kopf auf eine Gestalt auf der anderen Seite des Raumes.
    Der kleine Meto stand auf einem Hocker und griff mit der Hand in einen tiefen Tontopf auf dem Tisch. Er sah sich um, um sich zu

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