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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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haben, daß sie ihn ertragen konnten. Ich bedeckte mein Gesicht mit einer Falte meines schweren Trauergewands und wagte es trotzdem kaum zu atmen.
    Ich spürte, wie jemand an meiner Robe zupfte. Meto blickte mit ernstem Gesicht zu mir auf. »Der beste Schwimmer, den es je gegeben hat«, versicherte er mir flüsternd. »Besser als Leander, und der konnte den Hellespont durchschwimmen. Besser als Glaucus, als er Scylla nachschwamm, und Glaucus war immerhin halb Fisch!«
    Das wird uns auch nichts nützen, wenn er hier drinnen eingesperrt ist, dachte ich. Dann sah ich den jungen Mann, auf den Meto zeigte. Er kniete auf dem Stroh und hielt die Hand eines alten Mannes, auf den er leise einredete. Das blasse Licht verlieh seinem Gesicht eine marmorartige Glätte, so daß er mehr denn je wie eine zum Leben erweckte Statue aussah oder wie ein lebendig versteinerter junger Mann.
    »Apollonius«, sagte ich, überrascht, ihn hier zu treffen.
    Er tätschelte die Hand des alten Mannes ein letztes Mal, bevor er sich erhob und das Stroh von seinen Knien strich. Allein diese schlichte Bewegung war so anmutig wie ein Gedicht. Es gibt die menschengemachte aristokratische Arroganz eines Patriziers wie Faustus Fabius, dachte ich, und es gibt den natürlichen Adel eines solchen Wesens, eine Gabe der Götter, die sich nicht um irdischen Status kümmern.
    »Warum bist du hier?« fragte ich in der Annahme, Crassus habe ihn aus schierem Trotz gegen Mummius aus dem Haus verbannt. Doch seine Erklärung war einfach.
    »Die meisten Sklaven sind hier eingesperrt seit dem Tag, als man unseren Herrn tot aufgefunden hat. Einige von uns durften auf ihren Posten bleiben und in unseren normalen Quartieren zwischen dem Haus und den Stallen schlafen. Genau wie Meto komme ich, so oft ich kann, hierher, um die anderen zu sehen. Die Wächter kennen mich und lassen mich durch.«
    »Ist er dein Vater?« fragte ich mit einem Blick auf den alten Mann.
    Apollonius lächelte, doch seine Augen blieben traurig. »Ich hatte nie einen Vater. Soterus kennt sich mit Kräutern und Umschlägen aus. Er kümmert sich um die anderen Sklaven, wenn sie krank sind, aber jetzt ist er selber krank. Er hat starken Durst, kann jedoch nicht trinken, und seine Verdauung funktioniert nicht. Seht, ich glaube, jetzt schläft er. Als ich einmal ein starkes Fieber hatte, hatte er sich Tag und Nacht um mich gekümmert. In jenem Sommer hat er mir das Leben gerettet. Und jetzt war alles umsonst.«
    Ich konnte keine Bitterkeit in seiner Stimme hören, überhaupt kein Gefühl. Es war die Stimme seines Narnenspatrons, leidenschaftslos und geheimnisvoll.
    Ich preßte den Stoff vor meine Nase und versuchte zu atmen. »Kannst du schwimmen?« fragte ich, als mir wieder einfiel, weswegen ich gekommen war.
    Apollonius lächelte ein ehrliches Lächeln. »Wie ein Delphin«, sagte er.
    Direkt südlich des Anbaus begann ein Pfad, der unterhalb des Südflügels und der Bäder in Serpentinen den steilen Hang bis zum Bootshaus hinunterführte. Vom Haus aus war er praktisch nicht einsehbar, verborgen durch dichtes Blattwerk und das steile Gefalle des Hügels. Der Pfad war nicht so gut angelegt wie der von der Terrasse am Nordflügel, doch er war ausgetreten und an den meisten Stellen so breit, daß zwei Männer nebeneinanderher gehen konnten. Der Junge Meto lief, über Wurzeln hüpfend und über Felstafeln schlitternd, voran. Eco und ich folgten ihm in etwas gemäßigterem Tempo, und Apollonius ging höflich und ehrerbietig hinter uns.
    Es war die wärmste und schläfrigste Stunde des Tages. Als wir uns dem Bootshaus näherten, blickte ich den Hügel hinauf und dachte an die Trauergemeinde, die stundenlang in der Sonne stehen mußte, während die Flammen die sterblichen Überreste von Lucius Licinius zu Asche verbrannten. In der Ferne konnte ich die Rauchsäule dick und weiß über den Baumkronen aufsteigen sehen, bevor der Seewind sie rasch in einzelne Schwaden zerpflückte, bis sie ganz am blauen Himmel verschwunden war.
    Die kleine Flotte, die am Pier festgemacht hatte, dümpelte still vor sich hin. Als wir den Pier betraten, bemerkte ich in den Booten nur ein paar dösende Gestalten, die ihre Beine ins Wasser baumeln ließen und ihr Gesicht mit den breitkrempigen Schiffermützen bedeckt hatten. Die meisten Fährleute und Sklaven waren dem Duft von gebratenem Fleisch aus der Küche gefolgt, um etwas zum Essen zu ergattern, oder hatten sich davongemacht, um unter den schattigen Bäumen am Hang ein

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