Die Pforten Des Hades
Ordnung, Männer«, rief er über seine Schulter. »Er ist der Bursche, von dem Mummius uns erzählt hat. Nennt sich der Sucher. Und was hoffst du hier zu finden?« Er wirkte auf einmal gar nicht mehr wie ein grimmiger und zum Töten bereiter Krieger, sondern machte stattdessen einen recht freundlichen und höflichen Eindruck. Vor allem jedoch sah er aus wie ein extrem gelangweilter Mann, dem jede Unterbrechung seiner Monotonie mehr als willkommen war.
»Der Sklavenjunge hat uns hergeführt«, erklärte ich. »Ich hatte vergessen, daß die Ställe einen Anbau haben.«
»Ja, vom Hof aus ist er durch die Stallungen verdeckt; und vom Haus aus kann man ihn auch nicht sehen, nicht einmal vom oberen Stockwerk, habe ich mir sagen lassen. Deswegen ist es ja auch ein so perfekter Ort, um sie alle zu verstecken, schön fein außer Sicht.«
»Wen zu verstecken?« fragte ich, weil mir einen Moment lang entfallen war, was Gelina mir über den Aufenthaltsort der meisten Haussklaven erzählt hatte.
»Schau es dir selbst an. Es sieht so aus, als wäre der kleine Meto ganz begierig darauf, daß du ihm folgst. Alles in Ordnung, Fronto«, rief er dem Wachmann zu, der Meto übers Haar gestrichen hatte. »Du kannst die Tür öffnen.«
Der Wächter zog einen großen Messingschlüssel hervor und steckte ihn in ein Vorhängeschloß, das an einer Kette hing. Das Schloß sprang auf, und die Tür öffnete sich nach außen. Die Wachen blieben mit wachsamen Blicken ein Stück entfernt stehen, die Hand am Schwert. Meto rannte hinein und winkte uns, ihm zu folgen.
Der Geruch, der nach draußen drang, unterschied sich deutlich von dem aus den Stallungen. Zwar konnte man auch hier den süßlichen Geruch von Heu riechen, doch der Gestank von Urin und Abfall stammte nicht von Tieren, sondern von Menschen. Schweißiger Dampf hing schwer in der Luft, daneben der Geruch von menstruierenden Frauen und eine Mischung aus verfaulendem Essen und Erbrochenem. Es erinnerte mich an den Gestank unter Deck der Furie - nur der bittere Beigeschmack von Männern am Rand des Zusammenbruchs fehlte, genauso wie die Erfrischung einer salzigen Brise; der Anbau verströmte eher die fauligen, abgestandenen muffigen Ausdünstungen eines Schlachthauses als den einer Sklavengaleere.
Meto wich zurück, doch ich nahm seinen Arm. Hinter uns schloß sich die Tür. »Wenn du fertig bist, klopfe und rufe«, rief der Wachmann mir noch durch das Holz zu. Dann rasselte die Kette, und das Schloß rastete klickend ein.
Ich brauchte einen Moment, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Es gab nur ein paar vergitterte Fenster knapp unter dem Dach, durch die staubschwere Sonnenstrahlen fielen. »Was ist dies für ein Ort?« flüsterte ich.
Ich hatte keine Antwort erwartet, doch der Junge Meto stand dicht neben mir. »Der Herr benutzte ihn als Lagerraum für alles mögliche«, sagte er, die Stimme wie ich senkend. »Altes Zaumzeug, Sattel und Decken, gebrochene Wagenräder und Ochsenkarren. Manchmal sogar Schwerter, Schilde und Helme. Doch als unser Herr Lucius gestorben ist, war er fast leer. Als dann Crassus am nächsten Tag kam, hat er fast alle Sklaven hier einsperren lassen.«
Es war still geworden, als wir den Anbau betreten hatten, doch jetzt erhoben sich in der Dunkelheit murmelnde Stimmen. »Meto!« hörte ich eine alte Frau rufen. »Meto, komm her und laß dich umarmen!«
Der Junge verschwand im Schatten. Als meine Augen sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, sah ich die Frau, die ihn umarmte. Sie saß auf dem strohbedeckten Boden, das weiße Haar zu einem Dutt geknotet. Ihre langen blassen Hände zitterten im trüben Licht, als sie über das Haar des Jungen strich. Wohin ich auch blickte, sah ich weitere - Männer, Frauen und Kinder, alle die Sklaven, die von den Feldern geholt oder von unnötigen Hausarbeiten freigestellt und eingesperrt worden waren, um Crassus Urteil zu erwarten.
Sie saßen zusammengekauert an den Wänden, während ich zwischen ihnen hindurchging und den schmalen Raum durchquerte. Eco folgte mir, sein Blick wanderte mit aufgerissenen Augen von Gesicht zu Gesicht, so daß er auf dem unebenen Boden ins Stolpern geriet. Am entfernten Ende des Raumes wurde der Geruch von Urin und Unrat stärker. Die Sklaven, die in der Nähe sitzen mußten, hockten dicht gedrängt und so weit wie möglich von dem Gestank entfernt. Doch nachdem sie ihm schon seit einigen Tagen ausgesetzt gewesen waren, mußten sie sich so weit daran gewöhnt
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