Die Pforten Des Hades
Herz. Er läßt keine einzige Ausnahme vor dem römischen Recht gelten, und so sollte es auch sein. In Zeiten wie diesen kann man keine Ausnahmen machen.«
»Nein, ganz bestimmt nicht. Doch man muß schon so unbeirrbar wie Cato sein, um einen Koch zu töten, der ein derart köstliches Gericht zubereiten kann.« Der Mann leckte sich geräuschvoll die Lippen.
»Psst! Du sollst das Wort nicht laut aussprechen.«
»Welches Wort?«
»Töten. Siehst du nicht die Serviererin dort drüben?«
»Na und?«
»Es bringt Unglück, wenn man das Wort so laut ausspricht, daß es ein dem Tode geweihter Sklave hören kann.«
Sie schwiegen einen Moment, bevor die Frau weitersprach. »Ziemlich zugig hier drinnen, findest du nicht?«
»Das Essen ist kalt, bis es aus der Küche hier ist.«
»Ich denke, du ißt schnell genug, um dir deswegen keine Sorgen machen zu müssen.«
»Trotzdem hätte uns dieser selbstzufriedene Designator vielleicht einen besseren Platz gegeben, wenn du dich getraut hättest, ihn zu fragen, wie ich es dir gesagt habe.«
»Jetzt fang nicht wieder damit an, meine Liebe! Das Essen ist hier wie dort bestimmt dasselbe, und darüber kannst du dich nun wirklich nicht beklagen.«
»Das Essen vielleicht, aber über die Gesellschaft läßt sich das nicht unbedingt sagen. Du bist doppelt so reich wie alle anderen in diesem Raum! Wir sollten wirklich näher bei Crassus sitzen oder zumindest im mittleren Raum bei Gelina.«
»Es gibt halt nur so viele Räume und so viele Sofas«, seufzte der Mann. »Und hier sind mehr Leute, als ich seit Jahren bei einem Leichenschmaus gesehen habe. Trotzdem, was die Leute in diesem Raum angeht, hast du wohl recht. Nicht unbedingt die Creme, was? Sieh mal da drüben, der Philosophenheini, der hier wohnt. Ich glaube, er heißt Dionysius.«
»Ja, wie die Hälfte aller griechischen Philosophen in Italien«, grunzte die Frau. »Dieser hier ist nicht besonders bedeutend, habe ich gehört.«
»Absolut zweitklassig, sagt man. Ich kann mir nicht vorstellen, warum Lucius ihn hierbehalten hat; vermutlich hat Gelina ihn ausgesucht, und ihr Geschmack ist, außer was die Küche angeht, recht zweifelhaft. Jetzt wo Lucius nicht mehr da ist, wird er große Probleme haben, noch einmal eine so angenehme Unterkunft zu finden wie hier. Wer braucht schon einen zweitklassigen Philosophen im Haus, vor allem einen Stoiker, wenn es so viele gute Epikureer zur Auswahl gibt, gerade hier am Golf? Ein wirklich unangenehmer Mensch - und außerdem ziemlich ordinär. Schau ihn dir nur an! Wie er das Gesicht verzieht und die Zunge rausstreckt - also wirklich, man könnte meinen, er sei nur halb zivilisiert!«
»Ja, ich sehe, was du meinst. Er veranstaltet ein ziemliches Spektakel, nicht wahr? Eher wie ein Narr als wie ein hochgebildeter Mann.«
Dionysius schien mir kaum der Typ, der schlechte Tischsitten an den Tag legen würde, selbst wenn er über seine Plazierung verärgert war. Ich drehte mich um, um es mit eigenen Augen zu sehen, und tatsächlich, es schien, als würde er Grimassen schneiden und immer wieder die Zunge herausstrecken.
»Obwohl er wirklich komisch aussieht«, räumte die Frau ein. »Wie eine dieser grauseligen Masken in einer Komödie!« Sie fing an zu lachen, und ihr Mann stimmte mit ein.
Doch Dionysius war nicht um komische Wirkung bemüht. Er faßte sich an die Kehle und beugte sich mit einem krampfhaften Zucken auf seinem Sofa vor. Er röchelte pfeifend nach Luft und versuchte dann mit halb aus dem Mund hängender Zunge zu sprechen. Von meinem Platz aus waren die wirren Worte kaum zu verstehen. »Meine Zunge«, keuchte er, »verbrennt!« Und dann: »Luft! Luft!«
Mittlerweile hatten auch andere Gäste Notiz von ihm genommen. Die Sklaven hörten auf zu bedienen, und die Gäste wandten die Köpfe, um den sich windenden Dionysius zu sehen. Er preßte die Arme gegen die Brust, wie um seine Zuckungen zu kontrollieren, und streckte immer wieder die Zunge heraus, als könne er es nicht ertragen, sie im Mund zu behalten.
»Würgt er?« fragte die Frau.
»Ich glaube nicht«, meinte ihr Mann und schnaubte mißbilligend. »Also das geht wirklich zu weit!« protestierte er, als Dionysius sich vornüberbeugte und auf den kleinen Tisch vor seinem Sofa zu kotzen begann.
Eine Reihe von Gästen sprang auf. Der Aufruhr breitete sich langsam bis in den mittleren Raum aus wie eine Welle über einen Teich. Gelina runzelte besorgt die Stirn und wandte den Kopf. Einen Augenblick später war das Getuschel
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