Die Pforten Des Hades
Leben kommen. Selbst ein hochrangiger Offizier kann versehentlich von einem Speer aus den eigenen Reihen getroffen werden oder einen tödlichen Stoß erleiden, dessen genaue Umstände sich hinterher nicht mehr klären lassen. Und das habe ich natürlich auch nie gesagt.«
»Hat er dir alles gestanden?«
»Alles. Es war, wie du vermutet hattest; er und Lucius hatten während meines Besuches in Baiae im letzten Frühjahr den Plan ausgeheckt, die Waffen zu verschieben. Faustus stammt aus einer sehr alten und hochvornehmen Patrizierfamilie. Sein Zweig der Familie hatte sich zwar einen Abglanz vergangenen Ruhmes bewahrt, jedoch schon vor langer Zeit ihr Vermögen verloren. So jemand kann sehr verbittert werden, vor allem wenn er unter einem Mann von geringerem gesellschaftlichen Status dient, der ihm an Macht und Reichtum jedoch bei weitem überlegen ist und es immer bleiben wird. Trotzdem, Rom zugunsten seines eigenen Vorwärtskommens zu verraten, die Ehre der Fabier zu opfern und einer Armee mörderischer Sklaven derart Beistand zu leisten - diese Verbrechen sind unverzeihlich und unter aller Kritik.«
Crassus seufzte. »Für mich persönlich noch schmerzhafter sind die Verbrechen meines Vetters Lucius. Er war ein schwacher Mann, zu schwach, um seinen eigenen Weg in der Welt zu machen, und weder klug noch geduldig genug, meiner Großzügigkeit zu trauen. Ich betrachte es als persönliche Demütigung, daß er meine Logistik benutzt und meine Mittel veruntreut hat, um sich an derartig widerwärtigen kriminellen Machenschaften zu beteiligen. Ich habe ihm immer mehr gegeben, als er verdiente, und so hat er es mir gedankt! Es tut mir nur leid, daß er so schnell und schmerzlos gestorben ist. Er hätte einen weit grausameren Tod verdient.«
»Warum hat Fabius ihn getötet?«
»Mein Besuch war unplanmäßig und unerwartet. Ich habe Lucius erst wenige Tage vorher benachrichtigt. Er geriet in Panik - in seinen Büchern finden sich Dutzende von Unregelmäßigkeiten; und im Bootshaus lagen Speere und Schwerter versteckt, die ihrer Verschiffung harrten. In der Nacht vor unserem Eintreffen hat sich Fabius aus unserem Lager am Lucrinus-See geschlichen, um sich mit Lucius zu beraten. Um mögliche Zeugen zu verwirren, nahm er ohne mein Wissen meinen Umhang, bevor er losritt. Er war passenderweise dunkel, eine um so bessere Tarnung. Seine spätere Verwendung sowie die Tatsache, daß er sich seiner ganz entledigen mußte, konnte er nicht vorhersehen. Nachdem er erst einmal blutverschmiert war, konnte er ihn weder am Tatort zurücklassen noch mir zurückgegeben. Er riß das Siegel heraus und warf es zusammen mit dem Umhang in die Bucht. Das Siegel muß, weil es schwerer war, auch im Wasser gelandet sein, der Umhang hingegen verfing sich an einem Ast.
Ich habe ihn am nächsten Tag vermißt und mich gefragt, wo er abgeblieben war; ich erwähnte es auch Fabius gegenüber, doch er zuckte nicht einmal mit der Wimper! Was meinst du wohl, warum ich jeden Abend diesen alten Chlamys von Lucius trage? Bestimmt nicht, um mich der in Baiae vorherrschenden griechischen Mode anzupassen, sondern weil der Umhang, den ich aus Rom mitgebracht hatte, weg war.«
Ich starrte ihn, auf einmal argwöhnisch, an. »Aber als ich dir gegenüber noch am selben Abend die Vermutung äußerte, daß Lucius hier in der Bibliothek ermordet worden war, hast du mich doch gefragt, wohin das ganze Blut verschwunden sei; kannst du dich erinnern, Marcus Crassus?«
»Ganz genau.«
»Als ich dir berichtete, daß man am Straßenrand einen weggeworfenen Umhang gefunden hätte, muß dir doch der Verdacht gekommen sein, daß es dein Umhang war!«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Gordianus. Du hast mir erzählt, daß man ein Stück Vorgefunden hätte, keinen Umhang. Von einem Umhang war nie die Rede; ich kann mich noch deutlich an deine Worte erinnern.« Er atmete durch die Nase ein, nippte an seinem Wein und sah mich gerissen an. »Also gut, ich gebe zu, daß ich damals einen eigenartigen Schauder der Erkenntnis verspürte; vielleicht sah ein Teil von mir einen Weg, der zur Wahrheit hätte führen können. Vielleicht hat ein vorüberziehender Gott mir ins Ohr geflüstert, daß dieses Stück Stoff mein vermißter Umhang sein könnte, was bedeutet hätte, daß hinter dem Mord an Lucius sehr viel mehr steckte, als ich zunächst vermutet hatte. Aber solche vagen Einflüsterungen hört man doch ständig, oder nicht? Und selbst die klügsten Köpfe wissen nie, ob die Götter ihnen
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