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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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nahm weiter zu. Die Sklaven am äußersten Rand des Schiffsrumpfes konnten sitzen bleiben, aber die auf den Stegen wurden von dem gesteigerten Tempo der Ruder aus ihren Sitzen gerissen, versuchten verzweifelt, sich aufrecht zu halten und streckten die Arme hoch in die Luft, um die rotierenden Ruder unter Kontrolle zu halten. Ans Holz gekettet, blieb ihnen auch gar keine andere Wahl.
    Der Trommelschlag wurde nun noch schneller. Die riesige Maschine lief auf vollen Touren. Die Ruder bewegten sich in großen Kreisen und einem wahnwitzigen Tempo. Die Sklaven schufteten mit all ihrer Kraft. Entsetzt, aber gleichzeitig unfähig, mich abzuwenden, betrachtete ich ihre verzerrten Gesichter - die aufeinandergebissenen Zähne, die vor Angst und Verwirrung brennenden Augen.
    Es gab ein lautes Knallen und Krachen, als sei eines der riesigen Ruder geborsten, so nah, daß ich mein Gesicht bedeckte. Im selben Moment warf der Junge, der mir eben noch zugelächelt hatte, den Kopf zurück, den Mund zu einem stummen Schmerzensschrei aufgerissen. Der  Einpeitscher  hob  erneut  den  Arm.   Die  Peitsche schwirrte durch die Luft. Der Junge schrie auf, als habe er sich verbrüht. Ich sah, wie die Peitsche seine nackte Schulter traf. Er taumelte gegen das Ruder und stolperte auf seinem Steg. Dann wurde er von den Fesseln an seinem Handgelenk nach vorn, zurück und wieder nach vorn gerissen. Als er am höchsten Punkt baumelte und verzweifelt um Halt kämpfte, traf ihn die Peitsche in den Hüften.
    Der Junge schrie, zuckte zusammen und fiel erneut. Das er schleifte ihn eine weitere Drehung hinter sich her. Irgendwie gelang es ihm, wieder Halt zu finden, und er versuchte mit angespannten Muskeln, seinen Rhythmus wiederzufinden. Die Trommel dröhnte. Die Peitsche sauste auf nieder. Wimmernd und keuchend vor Schmerz tanzte der Junge wie ein Spastiker. Seine breiten Schultern zuckten im Rhythmus der Schläge des Einpeitschers, wodurch er wieder aus dem Tritt der riesigen Maschinerie geriet. Sein Gesicht schmerzverzerrt, und er weinte wie ein Kind, während der Einpeitscher her wieder und wieder auf ihn einschlug. Ich betrachtete das Gesicht des Mannes. Er erwiderte meinen Blick mit einem grimmigen Lächeln, das seine verfaulten Zähne preisgab, bevor er sich abwandte und auf den Rücken der Sklaven spuckte. Er sah mich direkt an und hob erneut die Peitsche, als wolle er mich zum Eingreifen provozieren Ruderer stöhnten mit einer einzigen gemeinsamen Stimme wie ein tragischer Chor. Ich schaute zu dem Jungen, der die ganze Zeit über weiterruderte, und er blickte zu mir zurück, während er, unfähig zu sprechen, nur stumm seine Lippen bewegte.
    Plötzlich hörte ich von oben Schritte. Der Bote erschien wieder und machte dem Trommler mit der offenen Hand ein Zeichen. »Alles klar! Alles klar!« brüllte er.
    Der Trommelschlag brach abrupt ab. Die Ruder standen still. Nur das Klatschen der Wellen gegen den Rumpf, das Ächzen von Holz und das heisere, keuchende Atmen der Ruderer erfüllte die Sülle. Zu meinen Füßen war der Junge über seinem Ruder zusammengebrochen und wurde von einem Heulkrampf geschüttelt. Ich betrachtete seine breiten, muskulösen, von blauen Schwielen übersäten Schultern. Die frischen Wunden waren über einer Unzahl älterer Narben aufgeplatzt; offenbar war es nicht das erste Mal, daß der Einpeitscher es auf ihn abgesehen hatte.
    Plötzlich sah und hörte ich nichts mehr; der Gestank überwältigte mich, als ob der Schweiß so vieler dichtgedrängter Leiber die ranzige Luft vergiftet hätte. Ich stieß den Boten beiseite und stürmte die Treppe hoch ins Freie. Unter dem Sternenhimmel beugte ich mich über das Schanzwerk und entleerte meinen Magen.
    Danach sah ich mich orientierungslos, geschwächt und angeekelt um. Die Männer an Deck waren damit beschäftigt, das Zusatzsegel einzuholen. Das Wasser war ruhig, die Küste lag still und dunkel da.
    Marcus Mummius sah mich und kam zu mir herüber. Er war offenbar bester Laune.
    »Ist dir dein Abendessen wieder hochgekommen? Kann einem mit vollem Magen schon passieren, wenn wir auf volles Tempo beschleunigen. Ich habe dem Besitzer des Schiffes geraten, nicht so schwere Speisen zu lagern. Ich würde es jedenfalls jederzeit vorziehen, Brot und Wasser zu kotzen anstatt halb verdauten Fisch und Galle.«
    Ich wischte mir übers Kinn. »Haben wir sie abgehängt? Ist die Gefahr vorüber?«
    Mummius zuckte die Schultern. »Gewissermaßen.« Was soll das heißen?« Ich blickte

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