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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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zum Heck. Das Meer lag verlassen da. »Wie viele waren es? Wo sind sie hin?«
    »Oh, es waren mindestens tausend Schiffe, alle mit Piratenflagge. Und jetzt sind sie wieder im Hades verschwunden, wo sie hinhören.« Er sah den verdutzten Ausdruck auf meinem Gesicht und lachte. »Phantom-Piraten«, erklärte er. »Meeresgeister.«
    Was? Ich verstehe nicht.« Seeleute sind zwar abergläubisch - aber ich konnte mir nicht vorstellen, daß Mummius Galeerensklaven halb zu Tode hetzte, um ein paar mißlichen Nebeln oder einem verirrten Wal zu entkommen.
    Doch Mummius war nicht verrückt; es war noch schlimmer. Eine Übung«, sagte er schließlich, kopfschüttelnd und mir auf die Schulter klopfend, als habe er einen Witz gemacht, den m meiner Beschränktheit nicht verstand.
    »Eine Übung?«
    »Ja, eine Drillübung, ein Probealarm. Man muß sie hin und wieder abhalten, vor allem auf einem zivilen Schiff wie der Furie um sicherzugehen, daß alle auf Zack sind. Zumindest halten wir die Dinge unter - « Er wollte einen Namen nennen, sich jedoch im letzten Moment zurück. »Unter meinem Befehlshaber so«, beendete er den Satz. »Vor allem nachts erwischt man die Sklaven immer völlig unvorbereitet!«
    »Eine Übung?« wiederholte ich begriffsstutzig. »Du meinst, es gab gar keine Piraten? Das Ganze war überflüssig? Aber die Sklaven unter Deck sind völlig fertig...«
    »Gut!« sagte Mummius und reckte sein Kinn in die Luft. Sklaven eines römischen Herrn müssen allzeit bereit sein, immer bei Kräften. Wozu sollten sie sonst nutze sein?« Es waren nicht seine eigenen Worte; er zitierte jemanden. Von was von einer Art Mann erhielt Marcus Mummius seine Befehle, wer konnte es sich leisten, so verschwenderisch mit seinen menschlichen Werkzeugen umzugehen?
    Ich blickte auf die aus dem Rumpf der Furie ragenden Ruder, die bewegungslos über den Wellen schwebten. Wenig später rührten sie sich und tauchten wieder in die Fluten. Man hatte den Sklaven eine kurze Erholungspause gegönnt, und jetzt hatten sie ihre Arbeit wiederaufgenommen.
    Ich ließ den Kopf hängen, atmete die salzige Luft tief ein und wünschte, ich wäre wieder in Rom, eingeschlafen in Bethesdas Armen.
    VIER
    Ein Stoß in die Rippen weckte mich. Neben meinem Lager stand Eco und bedeutete mir aufzustehen.
    Sonnenlicht strömte durch das Bullauge. Ich erhob mich und sah kniend hinaus. An der nahen, felsigen Küste erkannte ich vereinzelte Behausungen. Die tiefer und näher am Wasser gelegenen Gebäude waren morsche, kleine Katen, bescheidene, aus Treibholz zusammengezimmerte und mit Netzen umgebene Hütten in der Nachbarschaft kleiner Werften. Die höher liegenden Bauwerke waren deutlich anders - riesige Villen mit weißen Säulen und weinbewachsenen Fassaden.
    Ich erhob mich und versuchte, so gut es in dem beengten Quartier eben ging, mich zu strecken. Ich benetzte mein Gesicht mit Wasser und nahm einen Schluck, um meinen Mund auszuspülen, bevor ich es aus dem Bullauge spuckte. Eco hatte bereits meine bessere Tunika bereitgelegt. Während ich mich ankleidete, kämmte er mein Haar und spielte Barbier. Als das Schiff einen kleinen Ruck machte, hielt ich den Atem an, aber er schnitt mich kein einziges Mal.
    Eco holte Brot und Äpfel, die wir, die Aussicht genießend, an Deck aßen, während Marcus Mummius das Schiff in die große Bucht steuerte, die die Römer schon immer »cuppa« genannt haben, weil sie an einen riesigen, von einer Reihe kleiner Dörfer umrandeten Kelch voll Wasser erinnert. Die alten Griechen, die die Gegend zuerst besiedelt hatten, hatten sie nach ihrer meines Wissens größten Siedlung die Bucht von Neapolis getauft. Cicero, ein gelegentlicher Klient von mir, bezeichnete sie oft spöttisch als die Bucht des Luxus; er selbst besaß übrigens keine Villa dort - noch nicht.
    Wir fuhren von Norden durch die Meerenge zwischen dem Kap von Misenum und der Insel Procida in die Bucht ein. Direkt vor uns am anderen Ende der Bucht lag die Insel Capri wie ein felsiger, himmelwärts weisender Finger. Die Sonne stand hoch, und es war ein strahlender, klarer Tag ohne jeden Dunst über dem Wasser. Zwischen unserer Einfahrt und der gegenüberliegenden Meerenge, die Capri vom Vorgebirge der Minerva trennt, war das Wasser übersät mit den bunten Segeln der Fischerboote und den größeren Segeln der Handelsschiffe und Fährboote, die in der Bucht zirkulierten, indem sie Passagiere und Fracht von Surrentum und Pompeji auf der südlichen Seite nach Neapolis und Puteoli

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