Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
sich in Vermutungen zu ergehen ist sinnlos.«
»Weißt du, was mir eben aufgegangen ist, Fidelma?«, sagte Eadulf plötzlich ganz aufgeregt. »Saer hat doch davon gesprochen, er hätte in der Heide einen stattlichen Hengst frei umherlaufen sehen. Vielleicht ist es das Pferd des ermordeten Gesandten gewesen.«
»Wäre gut möglich«, gab sie zu. »Aber erst mal sind andere Dinge wichtiger. … Achtung, da kommt was.«
In der Wegbiegung vor ihnen tauchte ächzend ein Eselskarren auf. Hoch oben auf einem Stapel Säcke saß ein beleibter Mann mit schütterem Haar, der wortreich das sich abmühende Tier verfluchte und der Kleidung nach ein Kaufmann sein musste. Offensichtlich hatte er Säcke mit Getreide und anderem Erntegut geladen. Beim Näherkommen ließ er die Zügel locker und sah ihnen argwöhnisch entgegen.
Kaufleute, die auf abgelegenen Wegen allein unterwegs waren, hatten so spät am Tage durchaus Grund, auf der Hut zu sein. Da er aber Gormáns Waffen bemerkt hatte, begrüßte er sie mit einem gewinnenden Lächeln. »Wollt ihr noch bis nach Durlus? Das schafft ihr vor Sonnenuntergang nicht mehr.«
»Wir sind uns über den Sonnenstand durchaus im Klaren«, erwiderte Gormán ungerührt. »Bist du auf dieser Strecke noch anderen Reisenden begegnet?«
»Nur hin und wieder.« Auch aus der Kleidung von Fidelmaund Eadulf konnte der Händler schließen, dass er keine Banditen vor sich hatte. Er wirkte nun recht entspannt. »Eine Dame und ihr Begleiter haben mich vorhin angehalten und gefragt, wo sie einen Bootsmann finden könnten, der sie nach Imleach bringt. Ich hab ihnen natürlich gesagt, dass der Fluss nicht in die Richtung fließt und dass sie gut daran täten, erst nach An Ghabhailín zu reiten – der Fluss teilt sich dort und …«
»Eine Dame und ihr Begleiter? Aus welcher Richtung kamen sie?«
»Wie ihr, aus dem Süden.«
Fidelma warf Eadulf einen überraschten Blick zu. »Wann etwa war das?«
Er zuckte mit den Schultern. »So nach Mittag.«
»Mittag ist doch aber schon lange vorbei«, hakte Gormán nach.
»Das ist richtig. Das war noch, ehe ich den Hauptweg verließ, weil ich nach Cill Locha wollte. Ich hatte dort ein Geschäft abzuwickeln und bin erst vor kurzem wieder auf die Straße hier gestoßen, die nach Süden geht. Ich werde es bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht mal mehr zu Fedach Glas und seinem Wirtshaus schaffen, dabei wollte ich noch vor Sonnenaufgang in Cashel sein.«
»Wo würden der Mann und die Frau«, unterbrach Fidelma seinen Redefluss, »die nach einem Boot suchten, am ehesten eins kriegen?«
Wieder zuckte der Kaufmann mit der Schulter. »Schwer zu sagen. Außerdem müssten sie ihre Pferde zurücklassen. Auf dem Fluss nimmt niemand Pferde mit. Ich habe ihnen geraten, es im Wirtshaus von Mugrón zu versuchen …«
»Das ist genau das Gasthaus, das ich für unsere Rastvorgesehen habe, Lady«, sagte Gormán. »Es liegt an einer Fähre am Suir. Vom Hauptweg hier zweigt ein kleiner Weg nach Westen ab.«
Der Kaufmann nickte. »Stimmt. Die Dame schien nicht gerade glücklich, ich glaube, sie wäre lieber gleich weiter nach Durlus geritten. Wiederum würde es mich wundern, wenn die zwei heute ein Boot auftreiben konnten. Auf dem Fluss ist heute kaum jemand unterwegs. Es findet ein großes Fest statt, und die meisten Bootsleute sind dort. Wie auch immer, ich habe ihnen jedenfalls alles Gute gewünscht.«
Fidelma fragte: »Wie lange ist es her, dass du den beiden den Weg zu Mugróns Wirtshaus gewiesen hast?«
»Och, das war schon vor einer ganzen Weile.« Er lachte plötzlich. »Ich hab ja schon gesagt, dass ich nach Cill Locha musste. Ich hatte da was mit einem Bauern auszuhandeln. Was mir unterwegs dorthin passierte, war richtig lustig.«
»Lustig? Inwiefern?«, wollte Eadulf wissen.
»Na, ich war gerade wieder auf dem Hauptweg hier, da kommt doch plötzlich ein frommer Bruder auf einem Pferd hinter mir hergeritten und fragt mich, ob ich einen Mann und eine Frau zu Ross gesehen hätte, sie seien Freunde von ihm und er wolle sie unbedingt einholen. Er beschrieb sie, und ich erzählte ihm genau das, was ich euch eben erzählt habe.«
»Ein Mönch zu Pferd?«, vergewisserte sich Eadulf und versuchte, seine Erregung zu verbergen. Er schilderte dem Kaufmann kurz Bruder Biasta und Endas Pferd. Doch der Kaufmann schüttelte den Kopf.
»Nein, das war der nicht. Es war ein junger Mann, er hatte schwarzes Haar und sah grimmig drein. Und dasPferd war auch mehr so rötlich grau. Ein
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