Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
frostharte Erde und beißenden Wind.
Selbst die Vögel weigern sich, mir zu singen
beim Schein einer schwächlichen Sonn’.
Der Gesang verstummte, als der Sänger durch das Gebüsch ans Ufer kletterte. In den Armen hielt er grüne Schösslinge, Kräuter und Pilze, die er gesammelt hatte.
Er war ein junger Mann mit dichtem, lockigem Haar, blauen Augen und wohlgestalteten Gesichtszügen. Die Haarpracht reichte ihm bis zu den Schultern und berührte seinen Bart, der im Gegensatz zum Haar sauber gestutzt und gekämmt war. Seine Kleidung war schon etwas abgetragen, aber doch von guter Qualität, und obwohl er weder kostbaren Schmuck noch besondere Wahrzeichen trug, aus denen man auf seinen Clan oder Rang hätte schließen können, durfte man ihn für einen Mann von gehobenem Stand halten.
Er war stehen geblieben und starrte sie an, denn auch er hatte auf den ersten Blick ihre Kleidung und Gormáns halb gezogenes Schwert erfasst.
»Das Schwert kannst du getrost stecken lassen, Krieger«, sagte er und ging achtlos an ihnen vorbei, legte die gesammelten Kräuter und Pilze an der Feuerstelle ab und drehte sich zu ihnen um. »Ich heiße euch an meinem spärlichen Feuer willkommen. Auch wenn ihr Fremde seid, teile ich gern mein bescheidenes Mahl mit euch.«
»Bescheiden nennst du das?« Eadulf deutete auf die große Forelle am Spieß und die beiden anderen im Kessel.
»Ich gebe zu, dass ich Glück hatte mit den Forellen, sie gingen mir geradezu freiwillig an die Angel. Der junge Mann lachte. »Aber außer ihnen kann ich euch kaum etwas bieten, nicht einmal einen Krug Ale.«
»Seit wann hast du dein Lager hier aufgeschlagen?«, herrschte ihn Gormán an, der immer noch die Hand am Schwert hatte.
»Seit dem späten Nachmittag.« Der scharfe Ton des Kriegers verunsicherte den jungen Mann etwas. »Spricht etwas dagegen?«
»Was uns betrifft, wir haben nichts dagegen«, beruhigte ihn Fidelma. »Wir sind nur erstaunt, dir hier zu begegnen, denn wir haben außer den unseren nirgends ein Pferd gesehen.«
»Ich bin ja auch zu Fuß unterwegs«, entgegnete er. »Allerdings nicht aus freien Stücken, mehr der Not gehorchend. Ich dachte, hier ein Boot zu finden, das mich stromabwärts bringt, und stehe stattdessen vor einem ausgebrannten Wirtshaus und einer zerstörten Kapelle. Und nun sitze ich zur Nacht fest und hoffe, dass sich morgen eine bessere Möglichkeit bietet.«
»Bist du sonst auf irgendeine Menschenseele gestoßen?«, forschte Fidelma.
»Ihr seid die Ersten, denen ich seit meiner Ankunft hier begegnet bin.«
»Du hast kein Paar hoch zu Ross gesehen, einen Mann und eine Frau?« Er schüttelte rasch den Kopf, doch sie fragte erneut: »Keinen Mönch zu Pferd?«
»Meinst du so einen wie den da?« Er zeigte auf Eadulf und lachte, wurde aber sofort wieder ernst, als er ihr Gesicht sah. »Nein, habe ich nicht gesehen. Gibt es einen besonderen Grund, dass ihr sie sucht?«
»Vielleicht sollten wir uns erst einmal miteinander bekanntmachen«, schlug Fidelma vor. »Wie heißt du?«
Der junge Mann sah sie mit seinen blauen Augen an.
»Es muss eine Bewandtnis mit ihnen haben, dass ihr nach ihnen fragt«, beharrte er.
»Dein Name!«, sagte Gormán mit verbissenem Gesicht und griff mit der Hand fester zum Schwert.
Der Bursche hob die Hände, die Handflächen nach außen gekehrt. »Lass dein Schwert stecken, ich verschweige meinen Namen nicht. Ich heiße … Torna.«
»Und woher kommst du, Torna?«, fragte Fidelma, der nicht entgangen war, wie er bei der Namensnennung gezögert hatte.
Der Mann zuckte die Achseln. »Ich stamme aus einem unbedeutenden Clan im Norden. Mich hat es lediglich hierher verschlagen, da ich gehört habe, dass man auf dem Fluss zum reichen Gemeinwesen des Königs von Muman gelangt.«
»Und weshalb willst du dorthin?«
»Weil man mir erzählt hat, dass der König ein großzügiger Mensch ist, etwas für Vers und Gesang übrig hat und sich vielleicht einem wandernden Barden gegenüber großzügig erweist.«
Fidelma lächelte, wenn auch nicht ganz ungezwungen. »Und du hältst dich für einen wandernden Barden, Torna? Hast du guten Gesang und Geschichten zu bieten?«
»Ich will mich nicht rühmen, Lady, aber man lauscht meinen Versen gern.«
»Zumindest würdest du deinem Namen Ehre machen, denn Torna Eigeas’ Verse werden noch heute gesungen, und dabei ist er schon lange tot.«
»Nie im Leben würde ich mein Können mit dem eines so berühmten Vorfahren vergleichen.«
»Das ist nur klug und
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