Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
die Dose mit der Salbe gefunden, bedeutete dem Krieger, sich hinzusetzen, und verarztete ihn.
»Was machst du da? Was ist das?«, fragte Gormán misstrauisch.
»Keine Angst, das tut nicht weh. Es ist eine Salbe aus den Blütenblättern der Ringelblume, sie wirkt gegen eine mögliche Entzündung. Mehr kann ich im Augenblick nicht machen.«
Das Blut ließ die Wunde schlimmer erscheinen als sie war. Wenn sie sich nicht entzündete, schätzte Eadulf, würde sie in wenigen Tagen von selbst heilen.
Gormán betrachtete Eadulfs Beule kritisch. »Sehr viel besser sieht es bei dir auch nicht aus, guter Freund.«
»Wir haben beide was abbekommen.«
»Nur, wie konnte das passieren?«
Eadulf verstaute die Dose mit der Mixtur in der Satteltasche, setzte sich und starrte in die Flammen.
»Ich versuche gerade, es mir zusammenzureimen. Ich wurde nachts wach, weil die Pferde so unruhig waren. Ich wollte den Grund dafür feststellen – ob sie vielleicht ein Raubtier umschlich zum Beispiel –, und plötzlich wurdemir schwarz vor Augen. Jemand muss mir von hinten einen Schlag versetzt haben.«
Der junge Krieger verzog die Lippen zu einem grimmigen Lächeln. »Uns beiden hat man von hinten auf den Schädel gedroschen. Lady Fidelma hat man sich gegriffen. Aber wer kann das gewesen sein? Der Barde, wie hieß er doch? Torna? Auch er ist weg.«
»Er muss Helfershelfer gehabt haben.«
»Es war doch niemand in der Nähe, als wir uns schlafen legten.«
»Einer allein hätte es nicht geschafft, Fidelma zu überwältigen« – davon war Eadulf überzeugt –, »und wenn es ihm gelungen wäre, sie hätte losgeschrien und uns wach gemacht.«
»Wenn das Hämmern in meinem Kopf bloß aufhören wollte. Wir dürfen die Zeit nicht nutzlos verstreichen lassen, müssen auf Spurensuche gehen. Fidelma hat sich bestimmt gewehrt, als man sie wegschleppte.«
Eadulf atmete tief ein und aus, aber das linderte den Schmerz nicht. Er suchte das Umfeld mit Blicken ab und entdeckte dabei eine bestimmte Pflanze am Rande des Waldstücks.
»Spül den Topf im Fluss gut aus«, forderte er seinen Gefährten auf und wies dabei auf eines der kleinen Kochgefäße, die der Barde am Abend benutzt hatte. »Fülle ihn mit Wasser, braucht nicht viel zu sein, und stell ihn in die Glut.«
Gormán schaute ihn verwundert an, folgte aber den Anweisungen, ohne weiter zu fragen. Eadulf war aufgestanden, hatte sein kleines Messer aus der Scheide gezogen und war zum Waldrand gegangen. Er bückte sich nach einem Kraut mit breiten Blättern und purpurroten Blütenauf behaarten Stängeln, schnitt es ab und kehrte zur Feuerstelle zurück. Neugierig schaute ihm Gormán zu, wie er die Blüten entfernte, die Blätter und Stängel kleinschnitt und ins kochende Wasser warf.
»Was ist das, was du da zerschneidest?«
»Das wird den pochenden Schmerz vertreiben. Bei meinen Leuten ist es ein beliebtes Hausmittel, Betonie nennen wir es oder Heilziest.«
Gormán betrachtete die Blütenstände, die Eadulf weggeworfen hatte. »Das ist lus beatha – die Pflanze des Lebens.«
Ungeduldig wartete Eadulf, bis der Aufguss genügend gezogen war. Er wollte möglichst gleich mit der Spurensuche beginnen; die Ungewissheit, was Fidelma zugestoßen sein könnte, erfüllte ihn mit großer Unruhe. Gormán beobachtete ihn und redete ihm gut zu.
»Erst müssen wir im Kopf klar sein. Wie oft hat Lady Fidelma festina lente, Eile mit Weile, gesagt. Wenn wir übereilt handeln, könnten wir leicht etwas Wesentliches übersehen.«
Eadulf wollte schon aufbrausen, besann sich aber, dass Fidelma genau das in ihrer gegenwärtigen Situation sagen würde.
»Egal in welche Richtung sie gegangen sind«, fuhr Gormán fort, »weit können sie nicht gekommen sein.«
Eadulf starrte ihn überrascht an. »Wie willst du das wissen?«
Der Krieger deutete auf die angepflockten Pferde, und Eadulf ärgerte sich, dass ihm das nicht selbst aufgefallen war.
»Andere hätten ja auf Pferden gekommen sein können.«
»Wenn dem so gewesen wäre, hätte uns das Pferdegetrappel geweckt. Sie müssen sich zu Fuß angeschlichen und uns im Schlaf niedergeknüppelt haben.«
»Sie könnten die Pferde aber auch ein Stück weiter weg angebunden haben«, erwiderte Eadulf.
»Wäre möglich, nur dann hätten sie Spuren hinterlassen, von hier bis dort, wo ihre Pferde standen. Die Spuren werden nicht so rasch verschwinden, wir müssen nichts übereilen. Aber noch ein Umstand gibt mir zu denken: Warum haben sie den Hengst von Lady Fidelma
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