Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
zurückgelassen, wenn sie für ihren Weg doch Pferde benötigten? Wir lagen bewusstlos da und hätten sie nicht hindern können, sich die Pferde zu nehmen.«
Der Aufguss war fertig, Eadulf füllte ihn zum Abkühlen in Becher.
»Wie stellst du dir vor, was passiert sein könnte?«, fragte Gormán, während sie das Gebräu schlürften.
»Na, Fidelma ist entführt worden, und uns hat man bewusstlos geschlagen, damit wir nicht eingreifen konnten.«
»Und was ist mit dem Dichter, diesem Torna?«
»Wir können davon ausgehen, dass er mit von der Partie war, sonst hätten sie auch ihn betäubt und bei uns liegen lassen.«
»Ist logisch«, räumte Gormán ein, stand auf und massierte sich die Stirn. »Aber erst mal sollten wir uns hier umsehen. Sie könnten ihn ermordet und die Leiche in die Ruinen hinter uns geworfen haben.«
»Bloß, wenn sie das gemacht haben, warum haben sie sich damit begnügt, uns bewusstlos liegen zu lassen?«
»Bleib hier, Eadulf, meine Augen sind schärfer, ich will erst mal die zerstörte Ansiedlung absuchen.«
So ungeduldig Eadulf auch war, er musste einsehen, dass Gormán als geübter Krieger den besseren Blick für Spuren und unauffällige Anzeichen hatte. Er blieb sitzen, hoffte, dass sein Trank bald wirkte, und grübelte, welche Möglichkeiten sie hatten. Es dauerte eine Ewigkeit, bis Gormán zurückkehrte. Schon beim Näherkommen schüttelte er den Kopf. »Da ist nichts zu finden, keinerlei Spuren.«
Dann ging er im Kreis um ihre Lagerstelle, zog die Kreise weiter bis zum Fluss und blieb am schlammigen Ufer stehen.
»Hast du was gefunden?«, rief ihm Eadulf zu.
Er antwortete nicht, winkte ihn zu sich heran und wies auf den Morast. Da gab es eine tiefe Furche und daneben Fußabdrücke. Was das bedeutete, war klar.
»Die Entführer sind also vom Fluss gekommen.«
»Die Furche ist entstanden, als der Bug des Bootes aufs Ufer traf«, stellte Gormán fest. »Muss ein größeres Boot gewesen sein, der Einschnitt ist ziemlich tief. Schwer zu sagen, wie viele Leute darauf waren. In einem Boot mit so einem Bug können gut und gern sechs oder sieben Mann gewesen sein. Es wäre auch denkbar, dass das Boot ein Segel hatte.«
Eadulf schaute über den Fluss. Am anderen Ufer lagen Stoppelfelder, die Ernte war schon eingeholt. Nicht weit dahinter erhob sich ein sanfter Hügel, dessen Kuppe kaum die Bäume im Vordergrund überragte. Gormán folgte Eadulfs Blick und verzog abschätzig die Miene.
»Da drüben sind nichts als Getreidefelder und Weideland fürs Vieh. In der Gegend gibt es nur ein paar weit auseinanderliegende Gehöfte.«
»Und was ist mit dem Hügel?«
»Der heißt Dún Bán, aber nicht, weil er eine Festung ist oder weiß aussieht. Er ist nichts weiter als eine Ansammlung grauer Felsbrocken, die heller wirken, wenn die Sonne draufsteht. Doch wohnen tut da niemand.«
Wieder blickte Eadulf den Fluss entlang. »Die uns überfallen haben, sind auf dem Fluss gekommen. Der Fluss ist wie eine breite Straße. Welche Richtung haben sie aber genommen?«
»Ich vermute, sie sind mit der Strömung nach Süden gefahren.«
»Nach Süden? Auf Cashel zu?«, fragte Eadulf und schüttelte den Kopf. »Da bin ich anderer Meinung.«
»Weshalb sollten die nach Norden wollen? Dann hätten sie doch gegen die Strömung rudern müssen.«
»Weil sie von da hergekommen sind.« Eadulf schien derart davon überzeugt, dass Gormán ihn erstaunt ansah.
»Das begründe mir mal.«
»Wären sie von Süden gekommen, hätten sie flussaufwärts gegen die Strömung ankämpfen müssen. Sie hätten gegen die Wellen und den Wind rudern müssen. Erinnere dich, wie heftig der Wind gestern Nacht von Norden blies. Von ihren Ruderschlägen wären wir wach geworden.«
»Sie hätten die Riemen ja mit etwas umwickeln können.« Der Krieger gab sich so schnell nicht geschlagen.
Eadulf wies mit der Hand auf die Furche im Uferschlamm. »Mag sein, aber hier hast du den Beweis für meine Behauptung. Du wirst doch zugeben, dass diese Einbuchtung vom Bug eines Bootes verursacht wurde, der mit Wucht auf die Uferböschung traf.«
»Ja, stimmt.«
»Schau mal den Winkel an. Das Boot ist vom Nordenher ans Ufer getrieben worden. Derart tief in die Böschung einzudringen, war nur mit der Strömung und mit Rückenwind möglich. Die Furche wäre nicht so tief, wenn die Ruderer das Boot gegen Strömung und Wind hätten lenken müssen. Sie hätten auch nicht genau in dem Winkel anlanden können.«
Gormán warf Eadulf einen
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